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B. Bretholz: Lateinische Paläographie.
Photographie einen glänzenden Aufschwung genommen hat, werden wir in anderem
Zusammenhang sprechen, die Detailarbeiten werden nach Möglichkeit in unserer
Darstellung noch anzuführen sein; hier ist wohl nur der Ort, über die Lehrbücher eine
kurze Übersicht zu bieten.
In Deutschland, aber auch in den übrigen Ländern entwickelte sich das Studium
der Paläographie langsamer als in Frankreich. In der ersten Hälfte des 19. Jahr-
hunderts hat etwa der braunschweigische Bibliothekar F. A. EBERT in seiner „Hand-
schriftenkunde“ (1825) verschiedene Kapitel des Schreibwesens, die Geschichte der
Schreibstoffe, das Bibliothekswesen u. a. m., berührt, allein in bezug auf den Haupt-
punkt, die Schriftkunde, begnügt er sich mit der Bemerkung, daß dieser „Teil einer
neuen Revision bedarf, wenn er der eigentlichen Bücherhandschriftenkunde voll-
kommen entsprechen soll“. (I, 40.) Obwohl mittlerweile durch Einführung des paläo-
graphischen Studiums an den Universitäten — 1854 wurde das „Institut für Oster-
reichische Geschichtsforschung“ an der Wiener Universität gegründet, in dem.insbe-
sondere seit dem Eintritt THEODOR SIcKELS (1856) paldographisch-diplomatische
Studien im Vordergrunde standen, — und durch reiche Publikationen von Schrift-
tafelwerken diese Disziplin in Deutschland und Osterreich bedeutend geférdert worden
war, wurde EBERTS Wunsch nach einem eigentlichen Lehrbuch erst erfiillt, als W. WATTEN-
BACH im AnschluB an seine praktischen Ubungen an der Universitit Heidelberg 1869
seine „Anleitung zur lateinischen Paläographie“ erscheinen ließ. Den Hauptteil bilden
autographierte Blätter, in denen die einzelnen Buchstaben in ihren mannigfachen
Umgestaltungen durch die verschiedenen Schriftarten und Jahrhunderte hindurch
verfolgt und die mit der Buchstabenschrift in innigstem Zusammenhang stehenden
Erscheinungen der Abkürzungen, Worttrennung, Interpunktion, Zahlzeichen erläutert
werden. Ein zweiter Abschnitt in Druck enthält dann die Darstellung der historischen
Entwicklung der „Hauptgattungen lateinischer Schrift", die wenigstens in ihren Grund-
zügen noch immer Anerkennung verdient. Hat sich WATTENBACH in dieser , Anleitung"
auch in den folgenden Auflagen!) immer nur auf einen kurzen Umriß beschränkt, so
lieferte er in dem 1871 in erster und 1896 in dritter Auflage erschienenen Buche ,,Das
Scehriftwesen im Mittelalter" eine Arbeit, von der gleich bei ihrem ersten Erscheinen
gesagt werden konnte, daß hier der behandelte Gegenstand „vollständig erschöpft“
worden sei, und die auch heute noch als das grundlegende Werk auf diesem Gebiete,
als „unser bester Führer“ angesehen werden muß.?) Alle Fragen, die mit dem Äußeren
der Schriftwerke in Zusammenhang stehen, die Geschichte der Schreibstoffe und
Schreibinstrumente, die Entwicklung der Formen, in denen die Schriftwerke auftreten,
die technische Ausbildung des Schreibens und Malens, das weite Gebiet des Buch-
gewerbes, die Bedeutung der Bibliotheken und Archive für das Schriftwesen, werden
auf Grund. zuverlässiger antiquarischer Nachrichten, die in jahrzehntelanger Sammel-
arbeit gewonnen worden waren, eingehend behandelt in einer Darstellung, die ebenso
den Ansprüchen strengster Wissenschaftlichkeit als allgemeinen Interesses entgegen-
zukommen versteht.
Hat WATTENBACH, wie es sich von selber versteht, in der „Anleitung“ und im
„Schriftwesen“ Handschriften wie Urkunden berücksichtigt, so mußte nicht minder
notwendig in diplomatischen Werken die Paläographie der Urkunden behandelt werden,
1) Seither ist die „Anleitung“ in 4. Auflage (Leipzig 1886) erschienen, in welcher der ge-
druckte Teil von 22 auf 42 Seiten angewachsen ist.
2) Vgl. die Anzeige der 1. Aufl. von Tm. SrckEL in HZ. XXVII, 442, der zweiten von
M. Tawern in ZDA. XLI (NF. XXIX), 246. — WarrENBACHS Werk hat das Muster geboten zur
Darstellung desselben Gegenstandes für ein räumlich begrenztes Gebiet in L. ROCKINGERS „Zum
baierischen Schriftwesen im Mittelalter“ (Abh. B. Ak. XII (1872), 1—72, 169—230).
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