p^
Einführung: Begriff und geschichtlicher Überblick. Lehrbücher. 5
und nach dieser Richtung haben wir an erster Stelle zu erwähnen TH. SICKELS „Acta
regum et imperatorum Karolinorum. — Die Urkunden der Karolinger“ (Wien 1867).
In dem Abschnitte über „Die äußeren Merkmale der Diplome“ (S. 285ff. werden
Schreibmaterial und Schriftentwicklung, Abbreviaturen und Interpunktion, sowie
alle andern Fragen des Schriftwesens, wenn auch mit besonderer Berücksichtigung der
karolingischen. Zeitperiode und unter ausschließlicher Rücksichtnahme auf Urkunden,
von so großen und allgemeinen Gesichtspunkten behandelt, daß diese. Kapitel not-
wendig zur Literatur der Paläographie gerechnet werden müssen; ebenso wie H. BRESS-
LAUS „Handbuch der Urkundenlehre für Deutschland und Italien“ (Leipzig}.1889),
das in seinem 17. Kapitel den Urkundenschreibstoffen und im 18. der Urkundenschrift
eingehende Darstellung widmet.
In kurzen Ubersichten finden wir Paliographie und Schriftwesen ferner be-
handelt in verschiedenen gelehrten Sammelwerken, von denen hier zu nennen sind:
GRÖBERS Grundriß der romanischen Philologie, Bd. 1, 2. Aufl. (1904), S. 205—252:
„Die schriftlichen Quellen“ von W.ScHUM, überarbeitet von H. BRESSLAU, J. v. MÜLLERS
Handbuch der klassischen Altertumswissenschaft, Bd.1(1892), S.329—354: , Lateinische
Paläographie“ von Frrirp. BLass, und H. Paurs GrundriB der germanischen Philo-
logie, Bd. 1 (1901), S. 263—282: ,Schriftkunde. Lateinische Schrift“ von W. ARNDT,
überarbeitet von H. BLocx. — Die geistvollste Behandlung des Themas liegt aber
vor in den Vorlesungen LUDWIG TRAUBES über „Geschichte und Grundlagen der
Palaeographie und Handschriftenkunde“, die im 1. Bd. der aus seinem Nachlaß
von Fm. Born herausgegebenen „Vorlesungen und Abhandlungen“ (1909) er-
Schienen sind.)
Wie in Deutschland, so zeigte sich auch in anderen Làndern das Bedürfnis nach
áhnlichen Handbüchern, die zu kennen um so wichtiger ist, als in ihnen naturgemäß
das heimische Material und die lokalen Verhältnisse größere Berücksichtigung erfahren.
Wohl das in der deutschen Literatur bekannteste und vielfach neben WATTENBACH
zu Rate gezogene Buch ist CESARE PaoLis im Jahre 1883 erschienenes , Programma
di paleografia latina e di diplomatica", das auch in deutscher Übersetzung als ,, Grundrif)
der lateinischen Paláographie und der Urkundenlehre“ von Dr. KARL LOHMEYER
(Innsbruck, 1885ff.) herausgegeben wurde.?) Es zerfällt in drei Teile, von denen der
erste, der in seiner ersten Auflage Paláographie und Urkundenlehre gemeinsam be-
handelte, in seiner jetzigen Fassung (3. Aufl. 1902) ausschließlich auf die „Lateinische
Palàographie" beschránkt ist. Auch PAorr führt die Entwicklung der Schrift eigentlich
nur bis zum Ausgang des Mittelalters, die letzte neuzeitliche Periode wird bloß in einigen
allgemeinen Bemerkungen charakterisiert. Der zweite Teil (1895) gilt dann ausschlieB-
lich dem ,Schrift- und Bücherwesen", das durch die reichen eigenen Beobachtungen
an spezifisch italienischem Material zu WATTENBACHS Schriftwesen mancherlei Er-
gànzungen darbietet. Der dritte Teil (1900) beschäftigt sich mit der , Urkundenlehre“,
Die englische Literatur besitzt an dem von E. M. THOMPSON bearbeiteten , Hand-
book of Greek and Latin Palaeography" (London 1894) eine wertvolle Anleitüng
zum Studium dieser Disziplin. Nach einer Einleitung über die Geschichte des Alphabets
(Kap. 1) behandeln Kap. 2—" die Schreibstoffe und Schreibinstrumente, Buchformen,
Stichometrie, Tachy- und Kryptographie, das Kürzungswesen und die Ziffern,
Kap. 8—12 die Entwicklung der griechischen, Kap. 13—19 der lateinischen Schrift-
arten, erlàutert durch zahlreiche, wenn auch kleine Faksimiles. Auch hier schlieBt die
Darstellung im wesentlichen mit dem Ausgang der mittelalterlichen Zeitperiode ab;
. .1) Vgl. dazu dann im 1I. Bd. (1911) mit dem Untertitel „Einleitung in die lateinische Philo-
logie des Mittelalters“ den Abschnitt „Die lateinische Schrift im Mittelalter" (S. 5—30).
2) Ich zitiere nach der deutschen Ausgabe; Teil I nach der 3., T. II nach der 2. Aufl.