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Erster Hauptabschnitt: Schriftwesen. Erstes Kapitel: Schreibstoffe. 7
windbare Schwierigkeiten entgegenstellten. Andere scheiden aus unserer Betrachtung aus, weil
ihre Verwendung nur noch aus literarischen Zeugnissen bekannt ist: wie vor allem Bast, der so
wichtig gewesen zu sein scheint, daß dessen lateinischer Namen „liber“ später die Bezeichnung für
das Schriftwerk an sich abgab,!) oder Leinwand, auf der die alten libri magistratuum in Rom ge-
schrieben waren,?) oder reines Holz, in das gelegentlich Gesetze eingeschnitten wurden.?) Sie ver-
schwanden frühzeitig aus dem allgemeinen Gebrauch und an ihren Platz traten die eigentlichen
Beschreibstoffe der historischen Zeit: Wachstafeln, Papyrus, Pergament, Papier. Von den neben
ihnen in Verwendung stehenden natürlichen unterscheiden sich diese künstlichen Schreibstoffe
auch dadurch, daß sie miteinander in Konkurrenz treten, einander zu verdrängen suchen und auch
wirklich zeitlich ablösen, ein Prozeß, der für die Geschichte des Schreibwesens und für die Schrift-
entwicklung von größter Bedeutung ist.
8 1. Holz- und Wachstafeln.
Die Holz- und Wachstafeln (tabulae, tabellae, cerae, tabulae ceratae) bilden
eine Art Verbindungsglied zwischen den natürlichen und künstlichen Schreibstoffen,
denn ihre Prüparierung bestand eigentlich nur in dem Aufstreichen einer Tünche
(Bleiweif, tabulae cerussatae) oder einer dünnen Schichte gefürbten oder ungefärbten
Wachses auf eine flach ausgehôhlte Holzunterlage. Auch die Beschreibart ähnelt
jener bei der Mehrzahl der natürlichen Beschreibstoffe, indem die Schrift mit einem
Griffel (graphium) eingeritzt wurde. In Rom wurden die Gesetze ursprünglich auf
Holztafeln geschrieben oder eingeschnitten, wahrscheinlich auch die Zwôlftafelgesetze
in dieser Weise veróffentlicht.!) Holz- und Wachstafeln sind eine Art subsidiärer Schreib-
stoff, der sich unabhängig vom Emporkommen neuer Schreibstoffe von den ältesten
Zeiten her lange genug erhalten hat, denn die Wachstafel besaB eine Eigenschaft, die
sie neben Papyrus und Pergament unentbehrlich machte: man konnte das Geschriebene
rasch tilgen.5) Dies sicherte ihr bei Schreibarbeiten von vorübergehendem Werte inso-
lange dauernden Gebrauch, bis das wohlfeile Papier auch hierin Wandel schuf. Daraus
erklärt sich, daß Wachstafeln vorzüglich verwendet wurden für tägliche Aufzeich-
nungen, Konzepte, Notizen, Rechnungen, Schulübungen, kurze briefliche Mitteilungen.
Für diese Zwecke genügte schon die einfache, ein- oder zweiseitig beschreibbare Tafel.
Für umfangreichere literarische und. amtliche Schriftstücke ließ sich dieser Stoff gleich-
falls verwerten, indem man mehrere Tafeln zusammensetzte; dann entstanden je nach
ihrer Anzahl diptycha, triptycha, polyptycha, duplices, triplices, multiplices, die
als einheitlicher Komplex den Namen codex (caudex) führen,°) wiederum eine Be-
zeichnung, die aus dem Schriftwesen nicht mehr verschwunden ist, obwohl sich die
Beziehung dieses Wortes auf Wachstafeln später gelöst hat und schon in mittelalter-
licher Zeit durchaus fremd ist.
Über den Gebrauch der tabulae im Mittelalter war man sich durch mehrfach erhaltene Bei-
spiele schon in MABILLONS Zeit klar; dann wurde dieser Beschreibstoff im 18. Jahrhundert insbe-
sondere in Frankreich Gegenstand gelehrter Untersuchungen und der Zusammenhang mit den alt-
römisehen Wachstafeln nachgewiesen. Auf diesen Arbeiten weiterbauend hat WATTENBACH eine
1) , Liber dicitur interior corticis pars, quae ligno cohaeret ... unde et liber dicitur in quo
scribimus, quia ante usum chartae vel membranae de libris arborum volumina compaginabantur"
SErvivs, Aen. IV, 556.
2) Von Leinwand als Beschreibstoff sprechen Livius und PrrnIvs; vgl. TEUFFEL-SCHWABE
Gesch. der Róm. Literatur I, 123, $ 79, 2. 3. 3) Vgl. PAonr-LomwEYER, Grundrif II, 6.
4) Vgl. V. GagDTHAUSEN, Amtliche Zitate in römischen Urkunden, in AU. III, 2, 7; daselbst
S. 9. 10 Abbildungen von Wachs- und Holztafeln aus der Notitia Dignitatum.
5) ,,Delebis quotiens scripta novare voles*, sagt Mamrran XIV, 7, 2. Eine Hs. aus dem
Arsenal (Paris) mit der Abbildung einer Wachstafel erwihnt MARTIN in ,Mélanges . . . Chatelain“
(Paris 1910), S. 537, und bemerkt dabei, daß ein Schriftsteller des 12. Jahrhunderts sich rühmt,
seine Arbeit ohne Tabulae niedergeschrieben zu haben, d. h. daß Tabulae noch damals für Konzepte
verwendet wurden.
6) SENECA, De brev. vit. XIII, 4 gibt die Definition: ,,Plurium tabularum contextus caudex
apud antiquos vocabatur, unde publicae tabulae codex dicuntur". CrcERO gebraucht die Aus-
drücke codex und tabulae synonym, vgl. Pro Rose. b: ,codex (tabulae) accepti et expensi."