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Erster Hauptabschnitt: Schriftwesen. Erstes Kapitel: Schreibstoffe. 15
phisch von Bedeutung ist, weil sie Anhaltspunkte für die Provenienzbestimmung der Schriftwerke
bieten kann, móchte aber SCHUM, der sich nach WATTENBACH am eingehendsten mit der Frage be-
scháftigt hat, doch nur dahin formulieren, dafj man nicht wie bisher von deutschem und italienischem,
sondern von ,südlündischem Pergament oder Pergament mit südlándischem^ Anstriche" im. Gegen-
satze zu mitteleuropäischem sprechen sollte.!)
Noch zwei Eigenschaften kommen beim Pergament wesentlich in Betracht: die
Möglichkeit, es durch Färbung zu einem Luxusstoff umzuwandeln, und in gewissem
Gegensatz dazu durch Tilgung der Schrift seine Benutzbarkeit zu vervielfältigen, es
besser auszunützen. Von den Farben, die man anwandte, spielt der Purpur die wich-
tigste Rolle, denn die Fälle von safranfarbigem oder schwarzem Pergament gehören
zu den Seltenheiten und sind auf ganz wenige Exemplare beschränkt. Dagegen finden
sich Purpurhandschriften und Purpururkunden, bei denen dann mit Gold- und Silber-
tinte geschrieben wurde, seit dem 6. Jahrhundert in ansehnlicherer Zahl, und auch
noch die karolingische Zeit hat für kirchliche Bücher diese glanzvolle Ausstattung
geliebt; aber seit dem 11. Jahrhundert verschwindet diese Sitte, und nur der Gebrauch
von Goldschrift auf natürlichem Pergament ist auch in der späteren Zeit erhalten ge-
blieben.
Überaus häufig sind aus dem Altertum die Beispiele, daß schon beschriebenes
Pergament ein zweites Mal und selbst mehrmals benutzt wurde; zu diesem Zwecke
pflegte man die ältere Schrift durch Waschen oder Schaben zu tilgen, doch in sehr ver-
schieden gründlicher Weise, so daß die Entzifferung der früheren Schrift mit größeren
oder geringeren Schwierigkeiten verbunden ist. Solche Handschriften führen den
Namen Palimpseste, codices rescripti?); selbstverständlich wurden auch Urkunden-
blätter reskribiert. Eine der Hauptursachen, daß im Mittelalter so viel Pergament
reskribiert wurde, war die schwierige Beschaffung des Stoffes. Wenigstens in den frü-
heren Jahrhunderten war man auf eigene Erzeugung angewiesen, und wie im Kloster
Corbie schon im 9. Jahrhundert ein Pergamenarius erwühnt erscheint, so werden auch
in den deutschen Klöstern und Städten kundige Hände die Herstellung des Schreib-
stoffes unter sich gehabt haben. Erst im 12. Jahrhundert finden sich Belege dafür, daß
die Erzeugung des Pergaments in Deutschland ein bürgerliches Gewerbe, Pergament
ein allgemeiner Handelsartikel geworden war. Der deutsche Name dafür war Buchfell,
der Erzeuger hieß Buchfeller, aber gebräuchlicher war Pergamenter, Pirmeter und
wie sonst die mittelalterlichen Verballhornungen lauten.?)
Das Aufkommen des Papiers hat dem Pergament wohl ungeheuren Eintrag
getan, aber verdrängen konnte es dasselbe nicht; vielmehr stieg es in seinem Rang,
und für Urkunden und Handschriften, auf deren Erhaltung besonderes Gewicht gelegt
wurde, blieb Pergament, wie aus zahlreichen Beispielen bekannt ist, eigentlich bis in
die neueste Zeit bevorzugt.
8 4. Papier.
Die Papierkunde ist wie nach der geschichtlichen so nach der materiellen Rich-
tung hin durch die Forschungen der letzten zwei Jahrzehnte auf eine vôllig neue Grund-
lage gestellt worden. Diese Forschungen wurden hervorgerufen durch die Auffindung
von zahlreichen neuen Dokumenten auf Papier, von denen die eine Gruppe mit den
Faijumer Papyri in Zusammenhang steht, während die andere glücklichen Ent-
1) Im „Grundriß für romanische Philologie“ I (1. Aufl.), 189; in der 2. Aufl. von BRESSLAU,
S. 245 im wesentlichen beibehalten.
2) Eine wertvolle Übersicht der in der Wiener Hofbibliothek vorfindlichen codices rescripti
mit eingehenden sachlichen und paláographischen Untersuchungen beginnt J. Brick u. d. T. , Wiener
Palimpseste" in den SB Wien. Ak. Bd. 159 (1908).
3) Vgl. die mhd. und md. Bezeichnungen bei Gaiww, D. Wórterbuch VII, 1544.