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B. Bretholz: Lateinische Paläographie.
uns wohl am deutlichsten den üblichen Schriftzug im gewöhnlichen Geschäftsverkehr, und. hier |
gewahrt man die kursive Schreibung der Majuskelbuchstaben in vollkommener Ausbildung, unver-
gleichlich stárker als etwa in den Matrikelrollen. Die Unterschriften dagegen zeigen die Kursive |
weit weniger in Ubung, ja bei der ersten, der des G. Jul. Priscus, stehen die flüchtig hingeworfenen |
Majuskelbuchstaben so selbständig nebeneinander, daß TAncı mit Recht den hierdurch bewirkten
kapitalen Charakter dieser Zeilen hervorgehoben hat. Gar weit zurück dürfte man demnach das |
Eindringen dieses Elementes in die Schrift nicht verlegen.
Zwischen den genau datierten Stücken des 9. und des 3. Jahrhunderts!) klafft
leider noch immer eine grofe Lücke von fast 130 Jahren, und das kleine Fragment |
vom Jahre 293 mit seinen merkwürdig stark hervortretenden Minuskelbuchstaben
in Kursivverbindung móchte sich auch schlecht der bisherigen Schrift anschließen. |
Allein wir müssen ohnehin den Verfolg der römischen Kursive unterbrechen, |
denn um die Wende des 3. und 4. Jahrhunderts treten in der Schriftentwicklung Wand- |
lungen zutage, jugendfrische Neuerungen, die für die weitere Geschichte mindestens |
ebensolehe Bedeutung gewinnen, wie die allmáhliche Umwandlung der altrómischen
Kursive.
Drittes Kapitel:
Die Buchschriften vom 3. oder 4. bis zum 8. Jahrhundert.
§ 1. Die Kapitale.
So sehr auch die Papyrusfunde, die wir bisher berücksichtigt haben, unsere
Kenntnisse von der frühesten Entwicklung der rómischen Schrift zu bereichern ver- |
mögen und. so wahrscheinlich auch die von WESSELY geäußerte Vermutung sein mag,
daß „die Briefe eines Cicero und anderer im wesentlichen ebenso aussahen, wie etwa |
das als Papyrusfragment erhaltene Schreiben an Macedo", — die Frage, wie wohl, |
um ein bestimmtes Beispiel anzuführen, jene Schriften des Vergil und Livius aus- |
gesehen haben dürften, die angeblich Caligula aus allen Bibliotheken entfernen wollte, '
lassen sie dennoch unbeantwortet. Waren sie und verwandte Literaturwerke simtlich I
in jener flüchtigen ausdruckslosen Kapitale oder gar in der Kapitalkursive nieder-
geschrieben, die wir bisher allein für das 1. bis 3. Jahrhundert in unseren Schriftdenk-
mälern bezeugt finden? Es scheint, als ob abermals einige Papyrusreste die Beant-
wortung dieser für die Paläographie und Literatur gleich wichtigen Frage erleichtern |
könnten. Es sind zunächst zwei kleine Blättchen aus der Sammlung Erzherzog Rainer, |
das eine, lateinisch, kaum über, das andere, griechisch, sogar unter Handflächengröße,
die uns daher auch nur wenige in der üblichen Kapitalkursive geschriebene Worte
bieten.?) Am Kopfe der Blättchen aber finden sich als Aufschriften die Worte AVGV ST
und PRID ID in so reiner Kapitale, daB sie durchaus an die Schrift der Steine ge-
mahnt, vielleicht nicht so gerade und kunstgerecht, aber regelmàDig, mit scharfer |
Unterscheidung von Schatten- und Haarstricohen und deutlichen Ecken. Aus dem
Charakter der griechischen Schrift auf dem einen Fragment, besonders aber aus dem
Umstand, daß die dort angewandte Münzwührung der vordiokletianischen Zeit angehört,
hat WESSELY die Entstehungszeit der Blätter auf das „Ende des 3. Jahrhunderts n. Chr."
zu bestimmen gesucht.?)
Daß diese Schriftart, die eigentliche Kapitale, für literarische Werke frühzeitig
in Anwendung gekommen ist, ist durchaus wahrscheinlich — vielleicht bargen die
1) Vgl. WzssELy T. VI, Nr. 12.
2) WzssELY T. XVI, Nr. 23.
3) In den ,Schrifttafeln" steht noch: 3.—4. Jahrh.; dann hat aber WzssELy im Hinblick
auf die Bedeutung des Stückes in den „Studien zur Paliographie und Papyruskunde“ I (1901),
p. I—II (Uber das Alter der lateinischen Kapitalschrift in dem Fragment Nr. 23 der „Schrift-
tafeln" . . .), die Frage des Alters nochmals erörtert.
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