Full text: Lateinische Paläographie (Band 1, Abtlg. 1)

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Schrift 
Zweit. Hauptabschn.: Entwickel. d.lat. Schrift. Viert.Kap.: Die irisch-angels. Nationalschr.usw. 59 
1. Die Vatikanische Handschrift des Hilarius von Poitiers von 509 oder 510 (T. 52)5, 
2. die Veroneser Handschrift des Sulpicius Severus vom Jahre 517 (T. 32)?), 3. das 
Papstregister aus Corbie, heute in der Pariser Nationalbibliothek, bald nach 53" ge- 
schrieben (T. 40), und 4. der Kodex in Monte-Cassino mit Bibelkommentar vom Jahre 
569 (T. 53).) Nicht genau datierbar, aber aller Wahrscheinlichkeit nach noch der 
Mitte des 6. Jahrhunderts zugehórig ist die Wiener Papyrushandsehrift des Hilarius 
von Poitiers an, die, vielleicht im Beneventanischen geschrieben, schon vor 590 von 
dem Grammatiker Dulcitius zu Aquino durchgesehen wurde.) 
Manche dieser Handschriften zeigt, zu welch kalligraphischer Ausgestaltung die 
Halbunziale bereits im 6. Jahrhundert kam: schóne Rundungen bei allen Bogenlinien, 
geradlinige Schäfte, gleichmäßige Größenverhältnisse bei den Buchstaben. Dieser 
Grundzug einer Schönschrift erhält sich bei der Halbunziale auch noch im 7. Jahr- 
hundert, für welche Periode allerdings in den uns näher liegenden Sammlungen weniger 
Material vorliegt, das überdies der genauen Zeitbestimmung entbehrt. Zu verweisen 
wäre auf die Veroneser Augustinhandschrift aus dem Ende des 7. (Mon. Graph. TIT, T. 1) 
den Bamberger Hieronymuskodex, der in Italien oder Gallien im 6. oder 7. Jahrhundert, 
nicht aber, wie früher angenommen wurde, im 8. geschrieben sein dürfte (Mon. Pal. 
Ser. I, Lief. XVIIL T. 1), auch Imw, Palaeographia Lat. bietet Taf. IV ein Bild 
einer Schrift, die er noch entschiedener als CHROUST ins 6. Jhd. setzt, die Kölner 
Canonessammlung aus dem 7. Jahrhundert (Mon. Pal. Ser. II, Lief. VI, T. 8), den 
Berliner Cod. mit Gregors d. Gr. Moralia in Job (ARNDT-TANGL T. 5a), desselben 
Pastorales in einer Veron. Hs. (Mon. Graph. IV, T. 2), beide saec. VIII inc. Von 
der Regeneration dieser Schrift in karolingischer Zeit werden wir in anderem Zusammen- 
hange sprechen, dagegen móge im unmittelbaren Anschluf an die Halbunziale ihre 
ültere Tochterschrift, die sich auf irisch-angelsáchsischem Boden eigenartig und lange 
Zeit ohne Beziehungen zur Schriftentwicklung des Festlandes ausgebildet hat, Berück- 
sichtigung finden. 
Viertes Kapitel: 
Die irisch-angelsächsische Nationalschrift vom 6. bis 12. Jahrhundert. 
Im engsten Zusammenhang mit der Halbunziale — so sagten wir — steht die 
Ausbildung der Schrift in Irland und England seit dem 6. Jahrhundert. Es waltet 
hier das reine Verhältnis von Mutter- und Tochterschrift vor, wie kaum ein zweites 
Mal in der Geschichte der Schriftentwicklung. Denn allem Anscheine nach blieb die 
Kenntnis von lateinischer Schrift bei den Iren und Angelsachsen beschränkt auf jene 
Bücher, die der Verkehr christlicher Glaubensboten zwischen Italien und den Inseln 
vermittelte, auf Bibeln und Evangelienhandschriften, die damals fast ausschließlich 
1) Auch bei STEFFENS T. 17 (20) findet sich ein Blatt dieser Handschrift reproduziert und als 
,erstes datiertes Beispiel der Halbunziale" angeführt. Dagegen hat schon REIFFERSCHEID und neuer- 
dings (1908) Feperict, Bulletino dell’ Archivio paleografico italiano, Nr. 1, p. 111, die Schrift als 
Minuskel bezeichnet; vgl. auch Brrr, Mon. Palaeogr. Vindob. S. 13. Selbst auf dem einen von 
Steffens gebotenen Blatte sind der Majuskelelemente so viele (E, N, L, [Zeile 18], à. [Zeile 4]), daB 
man bei der Bezeichnung „Halbunziale mit vielen Minuskelformen“ gewiß bleiben darf. FEDERICI 
hat |. c. das Alphabet sehr gut zusammengestellt und in der von ihm gewáhlten vorsichtigen Aus- 
drucksweise ,il S. Ilario deve piutosto classificarsi fra i codici in minuscola che fra quelli in majus- 
eolo^ sind seine Deduktionen ganz richtig; die Bezeichnung kann eben schwanken. 
2) Mon. graph. VIIL T. 2 und AnmNpr-TaweL T. 34a. 
3) SrerrENs T. 18 (23e) mit dem Explicit in Kapitale und der Subscriptio des Donatus in 
flüchtiger Unziale, dureh die die Datierung ermóglicht wird. 
4) Nach BzEns Erläuterungen in Mon. Palaeogr. Vindob., wo 16 Blatt reproduziert sind; 
eine schöne Probe enthalten auch die Mon. Palaeogr. von CHROUST, Ser. I, Lief. XI, Taf. 1. 
 
	        
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