Full text: Lateinische Paläographie (Band 1, Abtlg. 1)

  
64 B. Bretholz: Lateinische Paläographie. 
Kursivverbindungen der neuen Schrift angepaBt hütten, am lángsten ihre Majuskelform 
bewahrt haben, wie G, L, N. 
Fiir die Geschichte der Schriftentwicklung der jüngeren römischen Kursive war 
man lange Zeit auf Material angewiesen, das nicht über das 5. Jahrhundert zurückging, 
so daß zwischen den Anfängen dieser Schrift und den letzten Belegen der älteren Kursive 
eine längere Zeitunterbrechung herrschte. Wiederum} sind, es die Wiener Papyrus- 
fragmente, wie sie durch die Schrifttafeln WEssELys der Forschung dargeboten werden, 
die nicht nur die Lücke einigermaßen ausfüllen, sondern auch den Zusammenhang 
klarer erkennen lassen. 
Das 4. Jahrhundert ist die Epoche, in welcher auch in der altrömischen Kursive 
die entscheidende Veränderung vor sich geht, wobei eine sehr beachtenswerte gegen- 
seitige Beeinflussung zwischen griechischer und lateinischer Schrift stattfindet.) 
Rómische genau datierbare Kursivschrift des vierten Säkulums bietet sich uns nur 
in einigen wenigen Zeilenfragmenten dar: einer Datierungsformel vom Jahre 317 (Wzss. 
16), einer zweiten vom Jahre 396 (Wzss. 19) und zwei kurzen Quittungen vom Jahre 398 
(Wzss. 17, 18); nicht datiert ist eine amtliche bilingue Sentenz mit einer Zeile lateinischem 
Text aus der Wende des 3. und 4., das lateinische Glossar in einem Papyrus des Louvre 
(Wzss. 20), und schlieflich eine Legitimationsurkunde (Wzss. 21), beide wohl aus dem 
Ende des 4. Jahrhunderts. Dazu kommt nun noch der prächtige lateinische Brief auf 
Papyrus in Agypten gefunden, aller Wahrscheinlichkeit nach vor 362 geschrieben.?) 
In diesen Stücken überwiegt die rasch vor- und fortschreitende Geschäftsschrift, aber sie 
sowohl als die konservativere Buchschrift im » Glossarium latinum“ (WEss. 20) zeigen 
die Auflösung und Umformung der altrömischen Kursive ziemlich deutlich. 
Doch stieß dieser Prozeß besonders dort auf Widerstand, wo für Schrift und 
Schreibwesen eine Tradition bestand, an der festzuhalten man allen Grund hatte; 
und dahin gehörte in erster Linie die kaiserliche Kanzlei. Zufälligerweise haben sich 
aus deren Bestande einige Fragmente erhalten, die in der Geschichte der römischen 
Kursivschrift seit langem eine wichtige Rolle spielen, weil diese Trümmer von Original- 
ausfertigungen der römischen kaiserlichen Kanzlei uns eine Vorstellung von der Schreib- 
weise zu geben vermögen, wie sie an dieser für Schriftgestaltung und Schriftentwicklung 
so bedeutsamen Stätte geherrscht hat. 
Die Fragmente, die zu Beginn des vorigen Jahrhunderts mit zahlreichen anderen 
griechischen und ägyptischen Papyri im südlichen Ägypten gefunden wurden, und 
deren größtes, bestehend aus drei zusammenhängenden vollständigen Kolumnen, sich 
in Leiden befindet, während andere kleinere in Paris aufbewahrt werden, sind seit dem 
Jahre 1822 wissenschaftlich bekannt und wiederholt untersucht worden, zuletzt durch 
MoMwsEN und Jarrí.?) Was die Zeitbestimmung betrifft, so hat MoMwsEN aus sach- 
lichen Gründen nachgewiesen, daB die Stücke sicher nach 413 und möglicherweise vor 
477 geschrieben sind, die justinianische Zeit, also das 6. Jahrhundert, aber entschieden 
ausgeschlossen ist. Jarrá wiederum hat den Charakter der Schrift dahin gekennzeichnet, 
1) Vgl. WzssELv in den Erläuterungen zu T. 13, S. 8. 
2) Nach der Abbildung im A. f. Papyrusforschung III (1904), 168 wiederholt bei STEFFENS 
T. 13 der 2. Aufl. (— Suppl. zur 1. Aufl. T. 3). 
3) ,Fragmente zweier lateinischer Kaiserrescripte auf Papyrus” in , J. des Gem. D. Rechts", 
hrg. von E.J. Bekker, Ta. MuTHER und O. STOBBE, VI (1863), 398—416 mit einer lithographischen 
Tafel, enthaltend eine Zeile Text des Leidner Fragments und Nebeneinanderstellung der Alphabete 
der Reskripte und der Wachstafeln. — Über ein ülteres » Pendant” eines Kaiserreskripts (v. J. 391/2) 
in einem Leidner bilinguen Papyrus mit einigen schwer zu entziffernden lateinischen Worten, dar- 
unter allerdings die eigenhändige kaiserliche Unterschrift „bene valere te cupimus" s. K. WEssELY, 
Ein bilingues Majestátsgesuch aus dem J. 391/2 n. Chr., Wien 1888; wegen der Lesungen vgl. U. Wir- 
CKEN in „Berl. Philolog. Wochenschrift“ 1888 (Nr. 39), Sp. 1205. Eine Kolumne eines Leidner 
Fragments saec. V. gibt jetzt SrEFFENS T.16 der 9. Aufl. 
  
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