Full text: Lateinische Paläographie (Band 1, Abtlg. 1)

   
    
74 
B. Bretholz: Lateinische Paläographie. 
sichere Belege.! In Papsturkunden erscheint diese Schrift zunächst zu Beginn des 
11. Jahrhunderts ganz sporadisch unter Johann XVIII. (Jarr£-L. 3953 v. J. 1007) 
und Sergius IV. (ib. 3976 v. J. 1011). Aber erst unter Clemens II. (1046—1047) und 
seinen unmittelbaren Nachfolgern gewinnt der Prozef an Bedeutung, und mit dem 
Ende des 11. und Beginn des 12. Jahrhunderts, unter Paschal II. (1099—1118), liegt 
er abgeschlossen vor; die letzten Reste von Kuriale schwinden aus den päpstlichen 
Urkunden. Die rómische Privaturkunde macht — so scheint es — diese Entwicklung 
nicht mit; hier bildet sich auf der Basis der Kuriale eine eigenartige schulgemüfe 
Schrift aus?), die nur lokale Bedeutung hat, wie denn auch in Florenz, Lucca und ander- 
würts in Italien typische Schriften sich ausbilden. 
Fragen wir nach dem Grunde jener merkwürdigen Entwicklung in der päpst- 
lichen Kanzlei, so müssen die beiden Ansichten, die darüber ausgesprochen wurden, 
angeführt werden. Man hat die Erscheinung in Zusammenhang zu bringen versucht 
mit der Einführung deutscher Schreiber durch die deutschen Päpste in die Kanzlei. 
PFLUGK-HARTTUNG hat das Wort von der „Papstpolitik in Urkunden“ nicht nur ge- 
schaffen, sondern es auch zu erklären versucht und nicht zuletzt durch den Hinweis 
auf die Schriftentwicklung.?) Und doch sind es nicht politische Motive, sondern große 
in Rom selbst unter römischen Päpsten durchgeführte tiefgreifende Änderungen im 
päpstlichen Kanzleiwesen haben allmählich die Kuriale entthront und der Minuskel 
zum Siege verholfen, wie dies KEHR nachgewiesen hat.‘) Neben dem alten päpstlichen 
Kanzleibureau, dem Scrinium®), an dessen Spitze ein suburbikarischer Bischof als 
Bibliothekar stand, mit einer Anzahl von Kanzleibeamten, den scriniarii, denen auch 
die Herstellung der Urkunden zukam, entwickelte sich im Verlaufe des 11. Jahrhunderts, 
mit jenem von Anbeginn rivalisierend, eine zweite Kanzleizentrale. Ihr Beamtenstand 
setzte sich aus dem Familiarenkreis des Papstes zusammen, war weit mehr als beim 
Scrinium mit seiner Person, mit dem palatium Lateranense in Verbindung, gleichsam 
ein ,pápstliches Kabinett"; auch von hier gingen direkt Urkunden aus, die aber nicht 
die scriniarii, sondern notarii palatii, Pfalznotare, schrieben, als deren Vorstand der 
Kanzler galt. Im Gefolge der deutschen Pàpste, deren Reihe mit P. Clemens II. (1046 
bis 1047) begann, kamen Mánner in das Pfalznotariat, denen die Kuriale durchaus 
fremd war, die in den in Deutschland üblichen Urkundenschriften schrieben und auf 
diesem Wege die Minuskel in der pápstlichen Kanzlei einbürgerten. Da in der Folge- 
zeit immer wieder Rückfülle eintraten, hängt damit zusammen, ob der Papst in Rom 
weilte, wo ihm das Scrinium neben dem Palatium zur Verfügung stand, oder außerhalb 
Roms, wo er auf das alleinig ihn begleitende Palatium angewiesen war.) In Rom 
nebeneinander tätig, bewirkt diese zweifache Organisation eine gegenseitige Beein- 
flussung in den Urkundenformen und in der Schrift. Letztere tritt besonders deutlich 
unter Urban II. und Paschal IT. hervor, wo Scriniare eine Kuriale schreiben, die zahl- 
reiche Minuskelelemente in sich faft, und umgekehrt Pfalznotare in ihrer Minuskel 
sich von der Kuriale beeinfluft zeigen. Es entsteht zunächst die Schrift, die KEHR 
schon unter Papst Urban II. als ,, Kurialminuskel" bezeichnet, die sich aber im 12. Jahr- 
hundert vollstándig in die pápstliche Minuskel aus- und umgestaltet.") 
1) Vgl. HARTMANN I, S. XXII, Anm. 2. 2) Vgl. Kzgg, GGA. (1896), 22. 
3) HZ. LV, S. 71. — Von anderem Gesichtspunkte hat die Frage MünrsACHER behandelt; 
y Kaiserurkunde und Papsturkunde“, MIOG., 4. Erg.-Bd. S. 499. 
4) P. KEnr, Scrinium und Palatium, in MIOG., 6. Erg.-Bd S. 70ff. 
5) Uber Scrinium vgl. auch H. BressrAv, Urkundenlehre I, S. 162. 
6) Der Aufsatz KEnrs verfolgt nach dieser Richtung Pontifikat für Pontifikat. Natürlich 
äußert sich das verschiedene Regime nicht bloß in der Schrift, doch berühren die anderen Punkte 
nicht die Paläographie, sondern mehr die Diplomatik. 
i 7) S. ihre Charakteristik, sowie Hinweise auf Faksimiles bei MÜHLBACHER a. a. O S. 507. 
— KALTENBRUNNER, MIÓOG. I, S. 376, glaubt, dafi bei der Bildung der neuen , Kuriale" des 12. Jahr- 
hunderts montecassinensische Einflüsse sich geltend machten. 
  
   
Zweit 
haben 
script 
tiger, 
heimi: 
in D. 
lichke 
Biblio 
von E 
Jahrz 
y Rn 
Kurs 
reich: 
regst 
stanc 
die f 
profa 
rung 
reich: 
tisch« 
Besoi 
sige S 
haltig 
dann 
land 
fiir S 
nen, 
der . 
Nach 
der X 
noch 
Manu 
mehr 
einen 
nieru 
hier c 
wo k 
  
E. M. 
gestel 
(Madr 
(nach 
graph 
angeg 
gesetz 
simile
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.