Das Königtum 01
.Nieht nur das Amterwesen wird feudalisiert, indem die Ämter zu Lehen
werden, sondern auch alle óffentlichen Gewalten, alle hoheitlichen Rechte werden als
Lehen behandelt. Solange noch die Lehen bei Herren- und Mannfall neu gewonnen
werden mußten, machte sich der Unterschied noch nicht stark geltend. Als aber im-
mer allgemeiner und weitergehend die Erblichkeit im Lehnswesen einzog, da hat das
Kónigtum viel verloren. Es verlor das Amtsgut, das den Charakter des erblichen
Lehnsgutes angenommen hatte, es verlor aber noch mehr dadurch, daB an Stelle des
Amtsauftrags der zunüchst kündbare Lehnsvertrag getreten war, der aber dann
dureh die eindringende Erblichkeit am Lehen für den König neue Einbußen brachte.
Die öffentliche Gewalt des Königs versagte. In die öffentlichen Beziehungen
zwischen Konig und Volk schieben sich Sonderverpflichtungen ein durch Lehen.
Der Untertanenverband wird. vielfach durchbrochen durch den Lehnsverband.
Das führte zur Zersetzung der Staatsgewalt. Das unmittelbar dem König
untertane Gebiet wird schlieBlich beschränkt auf die Reichsstädte und Reichsdärfer.
Im übrigen sind frühere Hoheitsrechte des Kónigs vielfach!) übergegangen auf lokale
Gewalten. Der Konig ist in der Hauptsache Lehnsherr der Reichsstünde, seine
Macht reicht nicht viel weiter, als seine Lehnsherrlichkeit reicht, sie bewegt sich in
dem Rahmen des Lehnsrechts. Das ist die Feudalisierung des mittelalterlichen Staats-
Wesens.
2. Das Konigtum.
Das Hauptproblem für die Verfassungsgeschichte beziiglich des Kônigtums ist
die Thronfolgefrage. Die Beteiligung an der Wahl hat so große Bedeutung, daß sie
selbst. die ständische Entwicklung beeinflußt und zuletzt eine bevorzugte Fiirsten-
klasse hervorruft. Wer den künftigen König zum Herrscher über die Gesamtheit
macht und ihm die Fülle der Gewalt verleiht, der erhöht dadurch auch seine eigene
Stellung. Er verstärkt sie auch außerdem durch den Erwerb von Zugeständnissen.
Daraus erklärt sich das Streben einzelner Persönlichkeiten und ganzer Schich-
ten, auf die ,,Kónigsmache'* Eiuflub zu gewinnen. Anfangs ist dem freien Spiel der
Kräfte ziemlicher Spielraum gelassen. Eine feste gesetzliche Regelung gab es nicht,
die Richtschnur gab die Gewohnheit, das Herkommen. Dieser Mangel eines objek-
tiven Reichsrechts für die Besetzung des Thrones brachte es mit sich, da die Mei-
nungen, ob der Thron auf Grund des Erbrechts des königlichen Geschlechts oder
auf Grund der Wahl zu besetzen sei, auseinandergehen konnten. Von seiten der
Königsdynastie und von seiten des Wählerkreises ging man von ganz verschiedenen
Voraussetzungen an die Beantwortung dieser Frage heran. Deshalb ist auch bei den
ersten theoretischen Erörterungen?) zu beachten, aus welchen Kreisen der Autor
stammt, um seine Stellungnahme zur Erbmonarchie oder Wahlmonarchie richtig ein-
schätzen zu können.
Wahl und Krönung gehörten ursprünglich eng zusammen, erst im Laufe der
Entwicklung traten sie in zwei voneinander getrennte Einzelakte auseinander. Als
aber die Trennung eingetreten war, da wurde es bald umstritten, weleher Akt für den
Aníritt der Kónigsmacht entscheidend war, ob die Wahl oder die Krönung oder ein
einzelner Akt der Kıönungsfeier ausschlaggebend war. Das war nicht immer gleich
geblieben und hatte sich mit den Zeiten geändert. Bald wurde der Wahl, bald der
1) Es bleiben allerdings noch einige königliche Rechte, aber auch die oft mehr in der Theorie
als in der Praxis. Es sei an die königlichen Gerichte (Veme) erinnert. 0. MEYER, Einleitung in das
deutsche Staatsrecht, 2. Aufl., S. 97. ; !
2) A. WERMINGHOFF, Zur Lehre von der Erbmonarchie im 14. Jahrh. HV Schr. 20, 1920,
8.160, weist auf Aegidius von Rom und Jacobus de Cessolis als literarische V ertreter der Erb-
monarebie hin. Bezüglich der Lehre von der Volkssouveränität ist Näheres zu finden bei F. v. B£-
ZOLD, Aus Mittelalter und Renaissance, 1918, S. 1ff.