Full text: Deutsche Verfassungsgeschichte von den Anfängen bis ins 15. Jahrhundert (2. Reihe, Abteilung 3)

     
98 Aloys Meister: Deutsche Verfassungsgeschichte des Mittelalters usw. 
der Wahl: zunächst eine Verständigung über den Kandidaten, dann die Abgabe 
des Kürrufes, also eine Art Stimmabgabe, und schließlich die Verkündigung des Ge- 
wählten. Die Verständigung konnte ganz überflüssig werden bei einer starken Erb- 
dynastie, wo zu Lebzeiten des Vaters gewählt wurde und der Sohn, der gewählt 
werden sollte, vom Vater bezeichnet, designiert war. Sie konnte aber auch in mehr 
oder weniger langen Vorverhandlungen die Aufgabe haben, Erbansprüche zu prüfen, 
Meinungsverschiedenheiten auszugleichen, Vereinbarungen mit dem Prätendenten 
zu treffen!) und, wenn nicht Übereinstimmung über die Person des Kandidaten 
erzielt wurde, die Gegner zu veranlassen, von der Wahl fernzubleiben. Denn die 
eigentliche Wahl, die Kur, sollte einhellig sein. Bei diesen Vorverhandlungen konnten 
Ansehen, Macht und Beredsamkeit des einzelnen den Ausschlag geben. Eingehen- 
dere Besprechungen unter den Wáhlern sind uns aus den Jahren?) 1002, 1024, 1125 . 
und 1138 besonders bekannt. 1024 und 1125 war sogar die nótige Einigkeit in den 
Vorverhandlungen der Wühler nicht erzielt worden. Da haben deun die beiden rivali- 
sierenden Konrade 1024 sich untereinander selbst geeinigt und nur einen als Kandi- 
daten den Wählern präsentiert; und die Wahl von 1125 hat wegen des Zwiespaltes 
unter den Fürsten ihr eigenes Gepräge erhalten. 
Es war damals ein Wahlausschuß eingesetzt worden von 40 Mitgliedern, 10 Für- 
sten aus jedem der vier Hauptstämme der Franken, Schwaben, Bayern und Sachsen. 
Dieser Wahlausschuß sollte eine Vorwahl abhalten, und die übrigen Wahlfürsten soll- 
ten dem Ergebnis dieser Vorwahl beipflichten. Nun gingen bekanntlich aus dieser 
Vorwahl drei Kandidaten hervor, und die offizielle Wahl hatte unter ihnen zu entschei- 
den. Die Antwort, die Friedrich der Staufer auf die diplomatische Frage des Erz- 
bischofs von Mainz gab, verdarb ihm die Sympathien. Eine übereilte tumultuarische 
Sehilderhebung Lothars hätte auch diesen beinahe um den Erfolg gebracht; aber in 
einer letzten Versammlung waren die Bayern, die zu Friedrich gehalten hatten, für 
Lothar gewonnen worden, und so wurde er einhellig gewählt; wer nicht für ihn war, 
blieb dem Wahlakte fern.®) 
Bei der eigentlichen Erwühlung gab es eine gewisse Regelung der Abstómmung.*) 
Die geistlichen Fürsten stimmten zuerst, dann die weltlichen. Von den geistlichen 
gab die erste Stimme ab der Erzbischof von Mainz, die zweite der von Köln, besonders 
als seine Berechtigung zur Krönung feststand, darauf in weiterer Abstufung Erz- 
bischöfe, Bischöfe, Abte, Pröpste. Die weltlichen Fürsten stimmten nach Stämmen 
ab, innerhalb des Stammes wiederum in Rangordnung Herzöge, Markgrafen, Grafen. 
Dabei scheint der fränkische Stamm zuerst gestimmt zu haben®); später wenigstens, 
als kein fränkischer Stammesherzog mehr existierte, hat der Pfalzgraf bei Rhein als 
Führer des fränkischen Stammes unter den weltlichen Fürsten die erste Stimme, 
1) Wahlkapitulationen im späteren Sinne gab es noch nicht. Schon die Wähler Rudolfs von 
Rheinfelden suchten gewisse Zugeständnisse vor der Wahl herauszuschlagen. Lothar III. hatte vor 
seiner Wahl der Kirche Zusicherungen gemacht. Vgl. Uricg, Deutsche Kirche unter Lothar. 1885; 
Voazs, Das Pactum in der Narratio de elect. Lotharii. Diss. Leipzig 1885. Heinrich II. hatte nach 
der Wahl den Sachsen gegenüber vor ihrer Anerkennung Verpflichtungen eingehen müssen. 
2) Auch vor Ottos I. Wahl scheint eine Verstindigung der Sachsen und Franken an un- 
genanntem Ort stattgefunden zu haben. MAURENBRECHER aaO. S. 54 und Warrz haben sich da- 
gegen ausgesprochen; für eine Vorwahl: KóPkz, Otto L., S. 3; Derselbe, Widukind, S. 131; Prr- 
LIPPS, Kónigswahl, S. 21; GrzsgBRECHT, Kaiserzeit I^, S, 248; OrrENTHAL, Reg. Imp. 55 g; SEELIGER, 
in Warrz, Vig. 62, S. 179, Anm. 2 
3) Der Erzbischof Adalbert von Mainz, der den Verlauf dieser Wahl leitete, hat vor allem, 
um die Wahl beeinflussen zu können, die Kroninsignien durch List in seinen Besitz gebracht. 
4) Vgl. MAURENBRECHER, aa0. S. 93; WErLAND, Deutsche Kônigswahlen im 12. und 13. Jh., 
FDG. 20; TANNERT, Entwicklung des Vorstimmrechts unter den Staufen. 1884. 
5) Bei der Wahl Konrads II. stimmte der Franke Konrad unter den Weltlichen zuerst. 
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
     
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
    
   
	        
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