102 Aloys Meister: Deutsche Verfassungsgeschichte des Mittelalters usw.
illustri regi Ottoni in Romanorum imperatorem electo, eine wohl ab:ichtlieh von der
durch Gregor VIII. gewählten abweichenden, etwas deutlicheren Form, wodurch er
zugibt, daß der gewählte König der designierte Kaiser sei, mit dem Vorbehalt, daß
erst die päpstliche Krönung ihm die volle kaiserliche Gewalt verleiht. Somit kehrte
sich die Waffe, die die Staufer für die deutsche Wahl geschmiedet hatten, umgekehrt
gegen sie, und die electio imperatoris wird eine Forderung des Papsttums. Das rief
den Protest der staufischen Wähler zu Halle 1208 hervor.
Aber die folgende Wahl Friedrichs II. 1211 ist doch wieder eine Kaiserwahl und
somit eine Konzession der Fürsten an die päpstliche Auffassung. Das erklärt sich aus
der zwingenden Zeitlage, und daran wird auch nichts dadurch geändert, daß im
folgenden Jahre 1212 zu Frankfurt noch eine Königswahl hinterher folgt, die die
Grundlage für die Königskrönung schaffen mußte.?)
Die Wahlen der Söhne Friedrichs II., Heinrichs und Konrads, sollten die Gewähl-
ten als deutsche Könige unter den Kaiser stellen. Es sind also nach dem Willen
Friedrichs II. selbst nicht Kaiserwahlen gewesen, sondern nur Königswahlen.?) Fried-
rich hat seine Söhne für das Kaisertum nur designieren lassen. Durch diese Abgren-
zung des Königtums ist Friedıich der vom Papste vertretenen Forderung der
Kaiserwahl beigetreten. Innozenz IV. geht aus von der Umschreibung der kaiser-
lichen Stellung in ihrem Verhältnis zur Kirche. Der Kaiser ist der Vogt der Kirche,
und deshalb ist das Kaisertum auch ein Amt, das die Kirche besetzt. Deshalb muß
aber die Wahl den Wünschen der Kirche entsprechen. Innozenz verlangt, daß die
Wahl des Vogts der Kirche kanonisch vollzogen werde, und daß sie, wie Jede kano-
nische Wahl, der Bestätigung des Papstes unterliege. Mithin war die Wahl selbst nur
eine designatio. Somit erkannte Innozeuz IV. eine deutsche Kaiserwahl an, er unter-
warf aber gleichzeitig diese Kaiserwahl dem kanonischen Rechte. Sie gewihrte dem
Gewählten nur das Anrecht, vom Papste das Kaisertum zu erhalten. Bei der Wahl
Heinrich Raspes 1246 ist diese päpstliche Auffassung in die Wirklichkeit umgesetzt
worden, er ist in regem Alamanniae et Romanorum principem gewählt worden, worin
die Teilung der Gewalten zum Ausdruck kam.?) Auf Betreiben der Städte hat dann
das Braunschweiger Reichsweistum von 1252") den Grundsatz aufgestellt: Kaiser
im Reich ist der König der Römer, sobald er in Eintracht gewählt ist; ihm fügt die
keiserliche Salbung nur den Namen hinzu. Das ist eine Rückkehr zum staufischen Ge-
danken, daß die Wahl schon kaiserliche Herrschaft begriinde. Allerdings hat schon der
Frankfurter Reichstag 1252 statt der Wahl die Krönung in Aachen als entscheidend
für den Antritt der Herrschaft hingestellt.
Aus alledem geht hervor, daß seit den Zeiten Friedrichs I. eine tatsächliche
Umwertung des deutschen Königtums in ein deutsches Kaisertum im Gange war, die
durch die Vorgänge bei der Doppelwahl und durch die Stellungnahme des Papsttums
stark beeinflußt wurde. Gleichzeitig aber zeigte es sich auch, daß es sehr schwierig
1) Insofern haben die „Kaiserwahlen‘ schon eine Vorgeschichte. KRAMMER dagegen will die
Kaiserwahl aus der Staatsauffassung der Staufer allein erklären, die an Stelle des deutschen König-
tums ein universales Kaisertum setzen wollten. Die staufischen Kaiserwahlen erklärt er demnach als
im Widerspruch stehend mit der Idee des deutschen Königtums. Indessen nicht der staufische Im-
perialismus ist verantwortlich zu machen für die Veränderung der Auffassung vom Reich, sondern
das schon vorher begonnene Ringen mit den päpstlichen Ansprüchen hat zur stärkeren Betonung
imperialer Bezeichnungen geführt,
2) Als er später seinem Vater in der Regierung nachfolgte, nannte er sich: erwählter römischer
König und allzeit Augustus. Der aus der päpstlichen Terminologie stammende Elektentitel wird
jetzt übernommen.
3) BLOCH interpretiert in diese Wahl zu viel hinein, wenn er sie als Befreiung von der päpst-
lichen Vormundschaft hinstellen möchte,
4) ZEUMER, Ein Reichsweistum 1252 im NA. 30, S. 405£.