110 Aloys Meister: Deutsche Verfassungsgeschichte des Mittelalters usw.
und die Reichsversammlung das Recht, gehört zu werden, woraus sich ein Zustimmungs-
recht entwickelt. Die Reichsacht steht auch in einer Wechselbeziehung zum kirch-
lichen Bann?), und das beruht auf dem Verhältnis von Kirche und Staat im Mittel-
alter. Die weltliche und die kirchliche Gewalt unterstützen sich gegenseitig. Aber
diese gegenseitige Machtergänzung ist von der Gestaltung der tatsächlichen Macht-
verhältnisse abhängig gewesen. Theoretisch sollte dem Kirchenbann die weltliche
Acht und der Acht der Kirchenbann folgen.
4. Der königliche Hof und die Zentralverwaltung.
Warrz, Vfg. 62 (SEELIGER), S. 323—456. HADICKE, Kurrecht und Erzamt der Laienfürsten.
(Pforta Progr.) 1872. J. FickER, Die Reichshofbeamten der staufischen Periode. SB. der Wiener
Ak. 1862. F. Pururepi, Zur Geschichte der Reichskanzlei unter den letzten Staufern. 1885. G. SEE-
LIGER, Erzkanzler und Reichskanzleien. 1889. A. RrcuEL, Der Übergang des Arelatischen Erz-
kanzleramtes auf das Erzbistum Trier. Diss. Halle 1891.
Der König war stets umgeben von einer Anzahl von angesehenen Großen und
Beamten, teils von wechselndem Bestande, — sie kamen und gingen, — teils auch in
dauernder Stellung. Besonders erwartete man von den Bischöfen und Äbten, daß sie
auch außerhalb der größeren Versammlungen zuweilen beim König erschienen und in
längerem Aufenthalt an den Geschüften als Ratgeber (consiliarii), als heimliche Ge-
hilfen (seeretales, secretarii), als besondere Vertraute (auricularii, conlaterales, intimi)
teilnahmen. Sie waren es, die gemeint sind. unter den Ersten des Hofes (primi, pri-
mores, primates), den Vornehmen (proceres, optimates, principes). Sie alle zusammen,
auliei palatini, domestici, euriales genannt, bildeten den kóniglichen Hof.
1. Von ihnen ragen noch immer hervor die Inhaber der alten Hofümter, die
besonders bei der Krónung hervortraten. Von der Tütigkeit des Schenken und des
Marschalks wird nicht viel berichtet, der TruchseB wird wohl für die Beschaffung des
Unterhalts für den Hof zu sorgen gehabt haben, der Kümmerer war für das Quartier
des Königs und die Unterkunft der zu den Hoftagen erschienenen GroBen verantwort-
lich. Otto I. hat zuerst die vier Herzöge von Lothringen, Franken, Schwaben und
Bayern bei seinem Krönungsfestmahl die Dienste eines Kämmerers, Truchsessen, Schen-
ken und Marschalks tun lassen. Seitdem finden wir bei Krönungen, Königshochzeiten
und besonders feierlichen Gelegenheiten zuweilen?) Herzöge in der Ausübung dieser
Dienste. Wenn aber Fürsten gelegentlich solche Verrichtungen übernehmen, so sind
es für sie keine Ämter. Erst allmählich sind Ämter für weltliche Fürsten daraus ge-
worden. 1114 wird zum erstenmal em Herzog summus pincerna genannt, und das von
einem Reiehsfürsten ausgeiibte ,,Amt*, officium, eines dapifer, pincerna, camerarius
und marescaleus ist, wie es scheint, erst 1184 erwähnt; doch sind die Ämter noch
nicht dauernd mit bestimmten Herzogtümern verbunden.
Zuweilen ist noch ein besonderer Ehrendienst eines Sehwerttrügers und das
eines Schildträgers erwähnt.
Ein Vorsteher des königlichen Hauses, maior domus im alten Sinne, scheint sich bis Kon-
rad II. nachweisen zu lassen, spáter werden mit diesem Titel oder mit vicedominus, provisor regiae
domus zuweilen der erste unter den Ratgebern des Königs bezeichnet, der einen ausschlaggebenden
KinfluB auf den Kónig und auf die Reichsregierung gewonnen hatte, wie der Erzbischof Adalbert
unter Heinrich IV., Erzbischof Bruno von Trier für den jungen Heinrich V.
2. Außer diesen Laien und den meist jüdischen Ärzten bestand der Hof haupt-
sächlich aus Geistlichen, die in der kóniglichen Kapelle?) vereinigt waren. Diese
Kapelle der Hofgeistlichkeit war jetzt eine Pflanzschule für den hóheren Staatsdienst.
Die Kapellane wurden herangezogen für den Dienst in der Kanzlei, für Gesandtschaf-
1) Ep. ErcHMANN, Acht und Bann im Reichsrecht des MA. 1909.
2) 936, 986, 1114, 1184. Vgl. BUCHNER, Entstehung der Erzümter .. . 1911.
3) Über die Kapelle vgl. auch in diesem Grundri& den Abschnitt THowMEN S.47 und
W ERMINGHOFF * 8. 13 u. 53; ferner W. LÜpxRs, Capella, im A. f. Urkundenforschung Bd. 2, S. 1 ff.