Full text: Deutsche Verfassungsgeschichte von den Anfängen bis ins 15. Jahrhundert (2. Reihe, Abteilung 3)

   
126 Aloys Meister: Deutsche Verfassungsgeschichte des Mittelalters usw. 
Fürsten sind von Anfang an die Ersten des Volks gewesen. Diese Vornehmsten 
und Angesehensten (prineipes, proceres, primores, optimates) bleiben die führende 
Schicht durch alle Jahrhunderte. Aus ihnen werden die Grafen entnommen und 
gehen die Herzöge, Markgrafen und Pfalzgrafen hervor. Voraussetzung ist dem- 
nach die vornehme Abstammung und der damit verbundene größere Grundbesitz: 
Adel und Reichtum. Das Amt folgt in zweiter Linie. Derjenige erhält es, der das 
Ansehen und die Macht hat, sich zur Geltung zu bringen und die Befolgung der zu 
treffenden Anordnungen durchzusetzen. 
Die Grafen vermögen aber gegenüber den Herzögen, Markgrafen, Pfalzgrafen 
und Landgrafen nicht das gleiche Ansehen zu bewahren, zumal da die alten großen 
Grafschaften vielfach zerschlagen werden und es zuletzt selbst Grafen gibt, die kein 
Amt mehr haben und etwa nur nach einer Burg sich nennen. So erheben sich die 
Herzöge, Markgrafen, Pfalz- und Landgrafen aus geschichtlichen Gründen über die 
gewöhnlichen Grafen, weil sie sich vor ihnen auszeichnen durch eine größere Macht, 
oft durch Vereinigung mehrerer Grafschaften in ihrer Hand und infolgedessen durch 
größeres Ansehen. Es scheidet sich ihre höhere fürstliche Stellung von der gräflichen. 
Die Grafen werden nicht mehr als Fürsten anerkannt, die Auslese der Mächtigsten 
hat sich durchgesetzt. So haben Ende des 12. Jhs. nur noch ganz wenige voinehme 
Geschlechter Fürstenrang. Es sind diejenigen, die auch ein großes Fürstentum haben. 
Sie besitzen es in der Form des unmittelbaren Reichslehens. Zu der realen Macht 
war zuerst die höhere amtliche Stellung und jetzt die Form des direkten Fahnlehens 
aus der Hand des Königs hinzugekommen. Alles zusammen macht den neuen Reichs- 
fürsten. Es führt also eine gerade Linie vom alten Volksadel zum Reichsfürstenstand, 
dem Hochadel. 
So blieben in Deutschland nach 1180 nur 16 weltliche Fürstentümer übrig: 
9 Herzogtümer (Schwaben, Bayern, Sachsen, Lothringen, Brabant, Kärnten, Böhmen, 
Österreich, Steier), 2 Pfalzgrafschaften (bei Rhein und Sachsen), 3 Markgrafschaften 
(Brandenburg, Lausitz, Meißen), 1 Landgrafschaft (Thüringen), 1 Grafschaft (Anhalt). 
Dazu kamen zwei ausländische Fürsten: der Herzog von Burgund und der Graf von 
Flandern, die französische Fürstentümer besaßen, aber wegen ihrer deutschen Lehen 
auch den deutschen Fürsten beigezählt wurden; ferner eine Anzahl Fürsten, deren 
fürstliche Stellung nicht in einem Fürstentum die lehnsamtliche Unterlage hatte, son- 
dern eine persönliche, wenn auch von früherem Fürstenamt hergeleitete Auszeichnung 
darstellte. Hierhin gehóren der Herzog Welf, die Herzóge von Rotenburg, Zühringen, 
Meran, die Pfalzgrafen von Burgund. j 
Eine Vermehrung des weltlichen Reichsfürstenstandes konnte nur dadurch ein- 
treten, daß der König neue Fürstentümer errichtete oder das Territorium des zu Er- 
nennenden zum Fürstentum erhob. Die Erhebung in den weltlichen Fürstenstand 
geschah also durch Erteilung eines Fahnlehens. So sind 1182 die Markgrafschaft 
Mähren, 1188 Namur zu Reichslehen und Fürstentümern gemacht worden. 
Zu den geistlichen Reichsfürsten gehorten in fkonsequenter Lehnsauffassung nur diejenigen 
Bischöfe, die vom Reiche ihr Lehen empfingen, also die Inhaber von Reichs-Zepterlehen, wührend die 
Bischófe, die nicht unmittelbar vom Reich belehnt wurden, keine Reichsfürsten waren. So sind die 
Bischófe von Prag und Olmütz, seit sie vom König von Böhmen zu Lehen gingen, nicht mehr Reichs- 
fürsten, die Bischófe von Gurk, Chiemsee, Seckau und Lavant haben keinen Reichsfürstenrang, weil 
sie nur vom Erzbischof von Salzburg belehnt waren, und der Bischof von Kamin ist nicht Reichs- 
fürst, weil er unmittelbar dem Papst unterstellt war. 
Derselbe Gesichtspunkt galt hinsichtlich der Reichsübte; die landsüssischen, von einem Lan- 
desherrn abhángigen, sowie die nur dem Papst unterstellten exemten Abteien, abbatiae liberae, 
zahlten nicht zu den Reichsfürstentümern. 
Das Ergebnis dieser Veränderung des Reichsfürstenstandes war ein großes Über- 
gewicht an Zahl der geistlichen Fürsten gegenüber den wenigen weltlichen Fürsten. 
      
    
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
    
  
   
	        
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