Full text: Deutsche Verfassungsgeschichte von den Anfängen bis ins 15. Jahrhundert (2. Reihe, Abteilung 3)

n ge- 
ues. 
ord- 
faBt. 
Zer- 
ius 
etzt, 
Hei- 
n es 
nen, 
ter- 
be- 
nen 
ltus 
zeit 
vehr 
ge- 
ge- 
lich 
ibil- 
lrig 
ler- 
;us- 
rei- 
1b- 
all- 
en 
m- 
en, 
len 
er- 
ig. 
ei- 
m, 
ch 
er- 
lie 
ng 
ist 
ht 
ng 
ler 
on. 
Einleitung 
Der Gesamtwile des Volkes kommt zum Ausdruck in der Volksversammlung. 
Den Begriff Herrscher kennt der germanische Urstaat nicht; Trägerin der Souveràni- 
tät ist die Volksgemeinde. 
Nur im Kriege hat der Heerführer — in Staaten mit einem König ist es dieser, 
in solehen unter einer Mehrheit von Fürsten ein von diesen gewählter dux — eine wirk- 
liche Befehlsgewalt über die freien wehrhaften Volksgenossen. Alle Freien, soweit 
sie in der Volksversammlung als tauglich befunden und waffenfähig erklärt waren, 
bildeten das Heer. Das altgermanische Militärwesen beruhte auf der allgemeinen 
Militärpflicht. 
Auch dem Gerichtswesen lag die allgemeine Pflicht, für Aufrechterhaltung von 
Recht und Ordnung zu sorgen, zugrunde. Aber nur, wenn die Ehre und Würde des Staats- 
ganzen verletzt war, richtete die Gesamtheit des Volkes; bei einer Rechtsverletzung 
in kleinem Kreise genügte eine kleinere Gerichtsgemeinde. Sie wurde gebildet durch 
die Siedelungsgemeinschaft. 
Alles in allem genommen zeigen die altgermanischen Verfassungsverháltnisse 
den gróften Gegensatz zur antiken Staatsidee. In der Antike, bei den Griechen so- 
wohl wie bei den Rómern, umfafite der Staat den ganzen Menschen, das Individuum 
ging auf im Staate. Ganz anders bei den Germanen. Alles beruhte hier auf der Frei- 
heit der Persönlichkeit. Diese Freiheit wurde noch nicht vom Staate beschränkt. Die 
Staatsgewalt kam nur ergänzend zur Geltung; sie hatte ihre Grenzen an den Rechten 
des Volkes und an der Freiheit der einzelnen Volksgenossen. Neben der Staatsgewalt, 
nicht unter ihr, nicht von ihr beherrscht, lebte der einzelne im Hause und im Kreise 
des Geschlechtsverbandes nach der Ordnung des Hausherrn und der Sippe, lebten die 
Gemeinden, die Nachbarschaften, Zweckverbände und Friedensgemeinschaften nach 
selbstgegebenen Vereinbarungen und Gewohnheiten, vom Staate gewissermaßen nur 
,umrahmt‘“ und zusammengehalten. 
Vom Staate in unserem modernen Sinne ist noch so wenig zu verspüren, daß 
man sich klar bleiben muß, daß unsere heutigen Begriffe ,,Staat'5, ,,Staatsgewalt", 
„staatlich“ u. a. eigentlich nicht recht auf diese älteste Zeit passen. Der Staat der 
Vorzeit ist noch locker und lückenhaft. Er setzt sich aus Familien zusammen zum 
Zwecke des Gemeinwohles in einer größeren Gemeinschaft. Die allgemeine Ordnung 
ist zum größeren Teile auf privatem Wege von privaten Verbänden herbeigeführt, zum 
geringeren durch die Allgemeinheit garantiert. Der Fortschritt liegt in dem allmäh- 
lichen Hinaustreten aus den kleinen Kreisen, in denen die Selbsthilfe waltet, in größere 
Gemeinschaftskreise, in dem Übergang von privaten Ordnungen zu allgemeineren, 
zu öffentlichen. 
1. Die Sippenverfassung. 
Wairz, Über die Bedeutung des mundium in: Gesammelte Abhandlungen 1896. 1. Bd. 
BRUNNER, Rechtsgesch. I?, 1906, $ 12 u. 13. H. BRUNNER, Sippe und Wergeld in Z. f. Rechtsgesch. 
ITI, 1ff. GrERKE, Rechtsgesch. der deutschen Genossenschaft I, S. 892. BERTH. DELBRÜCK, Das 
Mutterrecht bei den Indogermanen. PrJbb. 1879, S. 14ff. E. GorHEIN, Beiträge zur Gesch. 
der Familie im Gebiete des alemannischen und frünkischen Rechtes, 1897. F. RoEpzn, Die Familie 
bei den Angelsachsen, in Studien zur englischen Philologie, 1899. W. WAckERNAGEL, Familienrecht 
und Familienleben der Germanen, in Kleine Schriften I, 1, 1872. E. GRossE, Die Formen der Familie 
und die Formen der Wirtschaft, 1896. J. FickER, Untersuchungen zur ostgermanischen Erbenfolge. 
4 Bde. u. 2 Halbb., 1891—1904. K. LamprECHT, Zur Sozialgeschichte der deutschen Urzeit, 1889. 
VINOGRADOFF, Geschlecht und Verwandtschaft im altgermanischen Recht, in ZSozWg. 7, 1899. 
S. 11f. Warrz, Vig. I3, S. 53— 96. HEUSLER, Vfg. S. 4f, Frhr. CL. v. SCHWERIN (Grundrif II, 5, 
2. Aufl. S. 12311, 126, 1915). 
a) Die Hausherrngewalt. 
Die Gewalt des Hausherrn ist bei den Germanen schon in der ältesten Zeit sehr 
ausgeprägt erkennbar. Wir dürfen daher annehmen, daß sie bei unserem Volke die 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.