134 Aloys Meister: Deutsche Verfassungsgeschichte des Mittelalters usw.
Die Landsassen, freie Erbzinsleute, die nur auf Zinsgut sitzen, die auf Rodeland und
Kolonisationsgebiet Wald- oder Marschhufen in freier Leihe erhalten haben, sind nicht
zu verwechseln mit den zinsenden Liten, die zu einem Zinsgut geboren sind. Zu den
freien Landsassen gehörten aber nicht nur Leute, die Land gepachtet und kein eigenes
Land daneben haben, sondern überhaupt die landlose Bevölkerung auf dem platten
Lande, soweit sie frei war, also auch Tagelöhner, Zeitpächter. Wenn also Freibauern und
freie Landsassen auch zu demselben Stande gehörten, so erkannte man doch ihren
ökonomischen und sozialen Unterschied. In Ostfalen ist nachgewiesen, daß diese
Trennung sogar in bezug auf den Gerichtsstand sich verfolgen läßt; das Schultheißen-
gericht ist das Gericht für die Pfleghaften, das Gogericht ist dort das Gericht für „die
niedrigsten Freien, die Landlosen*‘“.!)
7, Der Bürgerstand.
Die aufblühenden Städte übten eine große Anziehungskraft auf die ländliche
Bevölkerung aus, Freie, Hörige, Unfreie zogen alsbald in die Stadt. Die landrecht-
lichen Unterschiede zwischen diesen verschiedenen Klassen blieben zunächst unaus-
geglichen.
Unter diesen ist für das eigentlich städtische Leben die wichtigste Schicht die
der Kaufleute und Gewerbetreibenden. Die ältesten lateinischen Nachrichten nennen
sie mercatores, negotiatores oder cives forenses = Marktleute. Seit dem 11. und 12. Jh.
kommen die Ausdrücke burgenses und cives auf, und die spätere deutsche Bezeichnung
ist dann borgere oder burgere.
Die gleichen Interessen und die gleiche Lebensweise bewirkt auch in der Stadt,
daß diese noch vielgestaltige Bevölkerung zu einem einheitlichen Berufsstand zusam-
mengefaßt wird. Das ist der Begriff der Bürgerschaft. Gefördert wurde diese Ver-
schmelzung durch das Entstehen einer Kirchengemeinde um die Marktkirche. In der
Kirchengemeinde bildet sich eine Einheit, die keinen Unterschied macht zwischen
Freien und Unfreien, Vollberechtigten und Minderberechtigten, ihre Gemeinschaft
gründet sich auf Nachbarschaft. Zuletzt umfaßt die Bürgerschaft alle nachbarlich
in der Stadt Zusammenwohnenden.
Da die ausschlaggebende Oberschicht Freie waren und die ganze Entwicklung
des städtischen Wesens eine freiheitliche ist, so werden auch die weniger freien Ele-
mente dieser Bürgerschaft in diese Entwicklung hineinbezogen. Haben wir anfangs
alle landrechtlichen Stände nebeneinander in der Stadt, also auch Pfleghafte und viel-
Die Auffassung der Bede als Heeressteuer ist zuerst von ZEUMER und dann durch v.Bzrow erschüt-
tert worden. ZEUMER (Die deutschen Stüdtesteuern im 12. und 13. Jh., in ScEMOLLERS Staats- u.
sozialw. Forschungen I, 2) führte sie auf ursprünglich freiwillige Abgaben zurück, und v. BELOW
(Die landständische Verfassung in Jülich und Berg III, 1, ferner Artikel Bede im Handwb. d. Staatsw.
und Artikel Grundsteuer daselbst, ferner HZ. 90, S. 322; Z. f. Sozialw. 6, S. 311 Anm. 8; MIOG. 25.
Die Frage nach dem Ursprung der ältesten deutschen Steuer, S. 455ff. Derselbe, Probleme der Wirt-
schaftsgesch. 1920. Kap. 9. Die ülteste deutsche Steuer) weist vor allem den Zusammenhang der
Bede mit der Gerichtsgewalt nach. "Trotzdem halten an der Entstehung der Bede aus der Heersteuer
fest KoarER (Das landestürstliche Steuerwesen in Tirol bis zum Ausgang des MA., im AÓG. 90,
S. 4211.) (vgl. dagegen v. BErow, HZ. 90, S. 322); ebenso H. B. MEYER, Hof- und Centralverwaltung
der Wettiner, in Leipziger Studien 9, 1902; ScuurrE, Lehrb. d. Rg. § 83, S. 268f.; BRUNNER, Grund-
züge d. Rg.", S. 96 u. 144; Hzusrzm, Institutionen I, S. 164£., II S. 92; v. AMrRrA, Recht, S. 85.
Auch HrusLEr, Vig., S. 156, spricht von der Heersteuer des Bauernstandes als Ersatz für die Be-
teiligung am Zug nach Italien. SCHRÔDER hat in den späteren Auflagen seines Lehrbuchs diese Auf-
fassung aufgegeben. Unsere Anschauung ist folgende: die Bede ist nicht eine Heersteuer (die Heer-
steuer existiert neben der Bede, ja, sie kommt selbst kumuliert mit der Bede vor), die Gemeinfreien
sind also nicht vom Kriegsdienst befreit und deshalb bedepflichtig, sondern umgekehrt: die Ritter
sind durch Privilegien von der Bedepflicht meist befreit. S. auch u. S. 145.
, 1) E. MEISTER aaO. 8.163. — Der Sachsenspiegel versteht unter Landsasse oder Gast die
fr de weniger als eine halbe Hufe oder gar kein Eigen besitzen, also auch die Kotter, Häusler,
andwerker.