Full text: Deutsche Verfassungsgeschichte von den Anfängen bis ins 15. Jahrhundert (2. Reihe, Abteilung 3)

  
8 Aloys Meister: Deutsche Verfassungsgeschichte des Mittelalters usw. 
gene Wergeld, indem sie einen Teil den nächsten Angehörigen des Erschlagenen zuweist ( — Erbsühne), 
einen anderen Teil, die MagbuBe oder Magzahl, den Magen in bestimmter Abstufung zuteilt. Die 
Sippe der „lebenden Hand“ brachte gemeinsam das Wergeld auf, indem auch hier in bestimmter Ab- 
stufung die Magen die Magbuße zusammenbrachten, der Totschläger und seine nächsten Verwandten 
aber die Höhe der Erbsühne beisteuerten. *) ; ; 
Mußte jemand Bürgschaft leisten, so leisteten die Gesippen die Bürgschaft mit 
ihm; mußte jemand vor Gericht einen Eid schwören, so traten die Gesippen ihm zur 
Seite und beschworen die Wahrheit seines Eides. Diese Teilnahme der Sippe an der 
Bürgschaft geht auf eine Zeit zurück, in der die Sippe gemeinsame Besitzgenossenschaft 
war, und die Teilnahme am Eid auf eine Zeit, in der sie noch in so enger Wechsel- 
beziehung und Lebensgemeinschaft stand, daß jeder Gesippe genau das kennen mußte, 
was dem anderen passiert war. 
Für Unmündige, d. h. solche, die keinen Mundherrn hatten, Kinder, denen der Vater, Frauen, 
denen der Ehemann entrissen war, übernahm ursprünglich die Gesamtsippe mit dem Sippenschutz 
die Vormundschaft. Sie bestellte den Vormund, foramundo, muntporo. Da, wo sich die Sitte aus- 
bildete, daB die Sippe den Vormund immer aus den Schwertmagen des Miündels bestellte, wurden 
die nächsten Schwertmagen, wie bei den Franken, aus ursprünglich ernannten Vormündern geborene 
Vormünder, und der Anteil der Sippe an der Vormundschaft trat so zurück. 
Auch sonst zeigt sich uns die Gemeinsamkeit der Sippe z. B. beim Verlobungsakte, bei Unter- 
stützung hilfsbedürftiger Gesippen u. dgl. 
Die Sippe konnte einen Genossen aus ihrer Mitte ausstoßen; sie haftete dann 
nicht für seine Untaten. Sie trat also nur so lange für einen Gesippen ein, als sie ihn 
für wert hielt, ihr anzugehören. Später zog die Friedloserklärung durch die Staats- 
gewalt von selbst den Ausschluß des Friedlosen aus der Sippe nach sich. 
Die erstarkende Staatsgewalt hat die Tendenz, die Sippe mehr und mehr aus 
dem öffentlichen Leben zu verdrängen und ihre Aufgaben selbst zu übernehmen. 
2. Die soziale Gliederung. 
K. D. HÜLLMANN, Geschichte des Ursprungs der Stände in Deutschland. 3. T. 1806f. 2. Aufl. 
1830. E. MonTaAG, Gesch. der deutschen staatsbürgerlichen Freyheit oder die Rechte der gemeinen 
Freyen, des Adels und der Kirchen Deutschlands. 2 Bde. 1812—1814. INAMA-STERNEGG, Gesch. des 
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mischte Schriften IV. K. MAURER, Uber das Wesen des ältesten Adels der deutschen Stämme. 1846. 
R SCHRÔDER, Der altsächsische Volksadel und die grundherrliche Theorie. ZSavRg. GA. 24. Vrx- 
TOR Ernst, Die Entstehung des niederen Adels 1916. 
Freie: Pr. HECK, Die Gemeinfreien der karolingisehen Volksrechte. 1900. H. BRUNNER, 
Nobiles und Gemeinfreie der karol. Volksrechte. ZSavRg. GA. 19; Derselbe, Ständerechtliche Pro- 
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Untersuchungen. H. 17.) E. v. MoELLER, Der homo francus der Ewa Chamavorum. MIOG. 23. 
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DOFF, Die Freilassung zu voller Unabhängigkeit in den deutschen Volksrechten. FDG. 1€. 
K, MAURER, Die Freilassung nach altnorwegischem Recht. SB. Ak. München 1878. A. Srocx, 
Die Freilassung im Zeitalter der Volksrechte. Halle. Diss. 1881. M. FOURNIER, Essai sur les formes 
et les effets de l’affranchissement dans le droit gallo-franc, 1885; Derselbe, Les affranchissements du 
V au XIII siècle RH. 22. H. BRUNNER, Die Freilassung durch Schatzwurf, in: hist. Aufsätze Warrz 
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in GIERKE, Untersuchungen. H. 70. 1904, 
Unfreie: H. Boos, Liten und Aldionen nach den Volksrechten. Göttingen, Diss. 1874. 
K. KöHng, Die Geschlechtsverbindungen der Unfreien im fränkischen Recht, in: GIERKE, Unter- 
suchungen. H. 22. G. Jasrrow, Über das Eigentum an und von Sklaven nach den deutschen Volks- 
rechten. FDG. 19; Derselbe, Zur strafrechtlichen Stellung der Sklaven bei Deutschen und Angel- 
sachsen, in: GIERKE, Untersuchungen. H.2. G. MEYER, Die Gerichtsbarkeit über Unfreie und Hinter- 
sassen. ZSavRg. GA. 2. 3. 
Warrz, Vfg. 12, S. 149 — 200. SCHRÓDER, Rg5, $9. BRUNNER, Rg. 12, .8 14, S.133£ 
HEUSLER. Vífg. S. 5. 
  
1) BRUNNER, Rechtsgeschichte I?, S. 191 f.
	        
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