Full text: Deutsche Verfassungsgeschichte von den Anfängen bis ins 15. Jahrhundert (2. Reihe, Abteilung 3)

    
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
   
  
  
   
  
      
Weltliche Territorien 
bauen. Streubesitz hat in dieser Beziehung wenig zu bedeuten; aber eine abgerundete 
geschlossene Besitzmasse verleiht Macht und Ansehen und liefert einen festen Grund- 
stock zur unmittelbaren Verfügung des Herrn. 
Die Grafschaft ist somit der eigentliche Kern des Territoriums; an sie setzt 
sich die Weiterbildung an. Und da die Markgrafschaft von Anfang an selbständiger 
gestellt ist, so beginnt hier auch diese Entwicklung unter besonders günstigen Um- 
ständen.!) 
Zunächst die weltlichen Territorien gewinnen durch das Mittel der Vogtei Er- 
satz für die der Grafschaft früher durch Immunitätsverleihungen entzogenen Gebiete. 
Die Territorialherrn lassen sich die Vogtei über Immunitätsbezirke übertragen und 
führen sie so ihrer Herrschaft wieder zu. Die exemten Immunitätsbezirke innerhalb 
der Grafschaft werden auf diese Weise wieder mit ihr verbunden. 
Erwerb und Einziehung von Lehen ist ein weiteres Mittel, das Territorium zu 
vergrößern. Die weltlichen Herrn lassen sich von geistlichen Fürsten Lehen über- 
tragen gegen das Versprechen, sie zu schützen. Diese Lehen geben sie dann nicht 
wieder heraus. Auf dem Wege des Erbrechts gehen solche Lehen dauernd an sie über. 
Haben weltliche Fürsten selbst früher Lehen vergeben, so suchen sie sie jetzt zur 
Abrundung des Territoriums einzuziehen. 
Des weiteren ordnen sich die Territorialherrn nach Möglichkeit die Allodial- 
herrschaften in ihrem Gebiet unter. Es gelingt ihnen in den meisten Fällen, die nach 
eigener Landeshoheit strebenden Dynasten niederzuhalten und nicht zur Hochgerichts- 
barkeit und damit zur Landesherrschaft gelangen zu lassen. Durch Aussterben der 
Herrscherfamilie sind dann viele Allodialherrschaften an die Landesherrn gefallen. Aber 
auch mit Gewalt und durch die natürliche Auswirkung der Macht sind solche kleine 
Herrschaften dem Territorium der ausgreifenden Landesherrn vielfach eingefügt wor- 
den. Das geschah oft mit Hilfe des Lehnswesens. Der Landesherr ließ sich die Burg 
des Allodialherrn auftragen, und dieser erhielt sie dann als Lehen zurück, belastet mit 
der Öffnungspflicht. Das Offenrecht an einer Burg ist ein Vorbereitungsakt zur Ge- 
winnung der landesherrlichen Gewalt über sie. Zusammen mit der Burg wird dann 
auch die damit verbundene Herrschaft und Gerichtsbarkeit zu Lehen, und auf diese 
Weise mit der Landesherrschaft in Verbindung gebracht. Es hängt dann ganz von 
der Kraft der einzelnen Dynastengeschlechter ab, ob sie eine gewisse Selbständig- 
keit ihrer Stellung sich noch zu wahren wissen, oder ob sie in dem Aufsaugungs- 
prozeß des Territoriums untergehen. 
Zu diesen Hauptbestandteilen im Aufbau des Territoriums: Grafschaft, Grund- 
besitz, Vogtei, Lehen und Allodialherrschaften treten im Einzelfalle noch besonders 
geartete Erwerbungen hinzu, und zwar durch Erbfall, Ankauf oder Austausch. 
Verschiedenartige Gerichte, Obermärkerschaft, Waldgrafschaft und andere Rechts- 
bezirke werden hinzuerworben. Es setzt vielfach eine bewuBte Abrundungspolitik 
ein, wobei die Gewinnung von manoherlei Arten von Lehen und von Grundbesitz 
eine bevorzugte Rolle spielen. Die Erwerbsart ist jedoch neben der friedlichen auch 
öfter die gewalttätige durch Fehde und Krieg. 
Wir haben bisher den Normalfall vorausgesetzt, daß sich an die alte Grafschaft 
die landesherrliche Territorialbildung ansetzt, daB, mit anderen Worten, Herzog- 
tümer, Markgrafschaften, Grafschaften zu territorialen Landesherrschaften werden. 
Es ist aber auch vorgekommen, daß der alte Grafschaftsverband ganz aufgelöst wurde, 
und aus den Teilen durch verschiedenartigen Zusammenschluß wieder neue Gebilde 
entstanden. Für solche Fälle der Neugestaltung aus Zersplitterung gibt es keine 
1) S. o. S. 1221.
	        
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