180 Aloys Meister: Deutsche Verfassungsgeschichte des Mittelalters usw.
Die Stadt machte besondere Rechte geltend über einen gewissen Umkreis um
die Stadt, die Bannmeilenrechte. Es ist anzunehmen, daß der Bezirk einer solchen
Bannmeile auf eine frühere historische Zusammengehörigkeit zurückgeht, und daß
sich die Bannmeile etwa bis zu den Grenzen des alten Stadtgaus erstreckt.!)
Das Stadtregiment des Stadtherrn und dann die Gemeindeverwaltung des Rates
erhalten Hilfe und Ergänzung durch die Gilde der Kaufmannschaft und durch die
Zünfte der Handwerker”); sie unterstützen die Stadtherren und den Rat in ihren markt-
polizeilichen und gewerbepolizeilichen Aufgaben. Sie sorgen für die Durchführung der
vom Herrn oder Rat erlassenen Vorschriften. Der Stadtherr, später der Rat, bestätigt
sie; er gibt den Gilden Handelsmonopol, den Zünften Zunftzwang, er verleiht ihnen
Privilegien und gewührt ihnen ihre Selbstverwaltung. Sie erhalten ihre eigenen Hans-
grafen, Gilde- oder Zunftmeister und eine eigene Verfassung, aber der Rat behält die
Aufsicht über sie und die Entscheidung bei Streit; er erhält auch gewisse Abgaben.
Die Zünfte stellen ihre Organisation in den Dienst der Stadt, insbesondere ihre Wehr-
kraft, und es ist eine ganz natürliche Entwicklung, daß sie, zu Reichtum und künst-
lerischer Bildung gelangt, auch Anteil an der Stadtverwaltung begehrten.
Die Ratsstellen waren bisher nur durch die vermögenden Klassen, Kaufleute,
Großgrundbesitzer, hie und da auch durch in die Bürgerschaft aufgenommene Mini-
sterialen besetzt worden. Indem man diejenigen wählte, die schon einmal im Rate
saßen, oder ihre Angehörigen, und indem die Wahl nach und nach durch ein Selbst-
ergänzungsrecht des Rates ersetzt wurde, da war die ratsfähige Bürgerschaft der Ge-
schlechter, Patriziat, von den nicht am Regiment beteiligten scharf geschieden.?)
So kam es zu den Zunfthimpfen des 14. und 15. Jhs., deren Ziel Ratsreformen
waren, die auch mehr oder minder erreicht wurden. Der Grad des Erfolges war nicht
überall derselbe. Da, wo die Zünfte einen vollen Sieg errangen, haben sie den ganzen Rat
zunftmäßig reorganisiert, so daß auch die Patrizier einer Zunft beitreten mußten, wenn
sie in den Rat kommen wollten. Oder aber es wurde zu den sehon bestehenden und
den Geschlechtern vorbehaltenen Ratsstellen eine ganze Anzahl neuer hinzugefügt, die
mit Zunftmitgliedern besetzt wurden. Oder es wurde das Selbstergänzungsrecht des
Rates aufgehoben und den Zünften aktives und passives Wahlrecht verliehen. Es konn-
ten jedoch nur Zunftmeister, keine Gesellen in den Rat gewählt werden. Weitere Rats-
reformen bestanden darin, daß man neben dem alten Rat einen erweiterten, neuen Rat
schuf, der bei bestimmten Angelegenheiten in Tätigkeit trat. Auch ist vielfach die Tä-
tigkeit des alten Rates reduziert worden; man hat neben ihm einen Ausschuß einge-
setzt, der die eigentliche Exekutivgewalt erhielt, und den man, je nach der Zahl seiner
Mitglieder, Rat der Zehner, Fünfzehner usw. nannte.
Neue Beamten kommen im Laufe der Zeit hinzu, insbesondere der Stadtschrei-
ber, der meist auch zugleich Gerichtsschreiber war.
Nach Ausbildung der selbständigen Ratsverfassung führte die Stadt ein Stadt-
siegel, in dem oft die Befestigung mit Tor und Türmen zum Ausdruck kam. Nachdem
sich die Stadt von dem stadtherrlichen Regimente freigemacht hatte, was oft erst
durch Kampf erreicht wurde, hat sie folgende selbständigen Rechte: sie hat das Recht
der Autonomie. Sie zeichnet ihr Gewohnheitsrecht auf und gibt sich selbst Gesetze,
sogenannte städtische Küren, Willküren, Schraen, Statuten. Sie hat das Besteue-
rungsrecht über alle Einwohner, und zwar ist dies dadurch entstanden, daB der Rat
zunächst die Bede und andere öffentlichen Reichsabgaben aufzubringen hatte und dann
1) HELDMANN, Der Kölngau, S. 71. Auzıx, Landeshoheit, S. 23.
2) Über ihre Entstehung und wirtschaftliche Verfassung siehe KöTtTzschHK, Wirtschafts-
geschichte (in dim Grundrif). 2. Aufl. 1990. S. 131£.
8) S. o. S. 181.