Full text: Deutsche Verfassungsgeschichte von den Anfängen bis ins 15. Jahrhundert (2. Reihe, Abteilung 3)

   
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Landgerichte 
dererseits, beide unter dem Vorsitz des Grafen. Die Niedergerichte (Gogericht und 
SchultheiBengerieht) sind in Ostfalen Standesgerichte; es ist nicht wie im Gebiet des 
fränkischen Rechts eine sachliche Scheidung, sondern eine solche nach Ständen nach- 
zuweisen.*) Das kommt daher, daß die zuständigen Freien dort nicht einer Munt sich 
unterwerfen, sondern sich auszeichnen durch größeren Besitz und Herrschaftsrechte. 
Sie sind edelfrei und ihr Gericht daher ein Standesgericht der Edelleute. Das Schult- 
di wird von den Pfleghaften besucht, das Gogericht von den landlosen 
"reien. 
Im Laufe der Zeit hat sich jedoch eine Verschiebung der Zuständigkeit voll- 
zogen. Ungeführ um die Mitte des 13. Jhs. erweitern die Niedergerichte ihre Kom- 
petenzen. Das SchultheiBengericht zieht die Verhandlung über Eigen an sich. Das 
Gogericht, das vielleicht schon von Anfang an als altsüchsisches Volksgericht etwas 
größere Zuständigkeit gehabt hat, erhält unbeschränkte Gerichtsbarkeit und wird so 
zum Hochgericht?) und Landding. Das macht sie wertvoll für die angehenden Landes- 
herren, die sie nun zur Erweiterung ihrer Landeshoheit in ihre Gewalt zu bringen 
suchen. 
Die Zunahme der Bevölkerung und das wachsende Bedürfnis nach Recht- 
sprechung machte es immer mehr nötig, daß Rechtsuchende häufiger und bequemer 
Gelegenheit finden konnten, Rechtsfragen zum Austrag zu bringen. Das führte zur 
Vermehrung der Untergerichte und zur Zerlegung des Landgerichts in mehrere 
Dingstühle. 
Im übrigen entsprach die weitere Entwicklung des Gerichtswesens der Ver- 
schiebung der Stände. 
a} Die territorialen Landgerichte. 
Die Anschauung, daß der König die Quelle alles Rechtes ist, bleibt bis ans Ende 
des MA. bestehen, aber der direkte Empfang der abgeleiteten Königsgewalt fällt mehr 
und mehr fort. Im Sachsenspiegel erfahren wir, daß in den Markgrafschaften kein 
Kônigsbann mehr existiert*), und daß in den Grafschaften nur bei Verbrechen Schöf- 
fenbarer und Klagen über Eigen noch der Königsbann eintrat.1) Der Königsbann war 
aus der Markgrafschaft ganz verschwunden, weil dort kein Stand der Schöffenbaren 
und kein Schöffengericht existierte, und weil das Eigen nicht mehr als im Königsfrie- 
den, sondern als im Markgrafenfrieden stehend aufgefaßt wurde. Der Markgraf rich- 
tete ,,bi sines selves hulden"', d. h. bei Markgrafenbann.*) Die Grafen hatten zwar noch 
für einige wenige Kónigsbannsachen eine außerordentliche Gerichtsgewalt durch Bann- 
leihe sich erteilen lassen müssen, aber es war ihr naturgemáDes Bestreben, diese beson- 
dere Leihe fortfallen und in allen Dingen kraft ordentlieher Amtsgewalt richten zu 
kónnen. Andererseits festete sich bei dem wachsenden Ansehen der Fürstengewalt die 
Ansicht, daB der Reichsfürst mit der Übertragung der ordentlichen Amtsgewalt an den 
Grafen auch die Gewalt über die Kónigsbannsachen vergeben habe. Es kommt hinzu, 
daB im Rechtsgebiet des Schwabenspiegels gar keine kónigliche Bannleihe bestand. 
Hochgericht und Bann erhalten somit die Grafen in der Folgezeit aus der Hand des 
Fürsten. 
1) E. MEISTER aa0. S. 210. Ähnlich im Elsaß. Vgl. KIENER, Studien zur Verfassungs- 
geschichte der Territorien der Bischöfe von Straßburg 1, S. 98. AUBIN aa0. S. 104. 
2) Die gegenteilige Meinung, daB das Gogericht von Anfang an Hochgericht gewesen sei, 
kann nach den Ausführungen von FEnz, Fürst und Graf im Sachsenspiegel, 1906, S. 81f. und 
ZSavRg.32, 1911, S. 489, und E. MxisrER aaO S. 149ff. nicht mehr aufrechterhalten werden. 
3) Sachsenspiegel, Landrecht II 12, § 6 und III 65, § 1 
4) Ebenda 1 59, $ 1; I 21, $ 1; I 67, $ 1. teg 
tb) Pr. HECK, Der Sachsenspiegel und die Stánde der Freien, S. 7751. G. MEYER, Verleihung 
des Königsbanns und das Dingen bei markgräflicher Huld. 1881. 
   
  
  
   
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
   
  
   
	        
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