Full text: Deutsche Verfassungsgeschichte von den Anfängen bis ins 15. Jahrhundert (2. Reihe, Abteilung 3)

   
188 Aloys Meister: Deutsche Verfassungsgeschichte des Mittelalters usw. 
mächtige Stuhlherren sind die Bischöfe von Münster?), die Grafen von der Mark (von 
Altena), von Arnsberg u. a. Die Stuhlherren konnten die Freigrafschaft selbst ver- 
walten und fungierten dann selbst als Freigrafen, oder sie bestellten einen Freigrafen, 
der das Amt in ihrem Auftrag ausübte.?) Sie schlugen dann den Freigrafen dem König 
vor, und der König erteilte ihm darauf den Kónigsbann. Zuweilen war für diese Frei- 
grafen ihre Stellung nur ein Nebenamt; im Hauptamt waren sie Stadtriehter, Gograf 
u. dgl. Das echte Freiding sollte der Freigraf dreimal im Jahre, also nach Ablauf von 
je 18 Wochen abhalten. Durch einen Fronboten ließ er die Freien seines Bezirkes 
vorher einladen. : 
Der Gegensatz zu der alten Grafschaftsgerichtsverfassung wurde noch größer, 
als man auch von auswärts Rechtssachen vor die westfälischen Freigerichte brachte; 
gerade wie die süddeutschen königlichen Landgerichte®), so wurden in Westfalen die 
königlichen Freigerichte zuständig über ihren engen Bezirk hinaus. Wie die königlichen 
Landgerichte in Nürnberg und Rottweil Zuständigkeit für das ganze Reich erlangten, so 
haben auch die Freigerichte Westfalens den weitesten Wirkungskreis erhalten, indem 
Gerichtssachen auch aus Süddeutschland, aus der Schweiz, selbst aus Böhmen und dem 
preußischen Ordenslande gelegentlich vor ihrem Forum anhängig gemacht wurden. 
Diese Erweiterung der Tätigkeit der Freigerichte hatte aber zur Folge, daß in ihrer 
Organisation eine Änderung eintrat, die sich den neuen Anforderungen anpaßte. 
Zunächst wurde für die von auswärts kommenden Rechtssachen ein gebotenes 
Ding abgehalten. Das echte Freiding beschäftigte sich fortan mit den gewöhnlichen 
Königsbannsachen*) der Freigrafschaft und hieB ,,offenes' Ding, ,,offenbares" Frei- 
ding; das gebotene Ding, das sich mit fremden Angelegenheiten befafte und daher Ge- 
heimhaltung notwendig hatte, nannte man zum Unterschied davon das heimliche oder 
stille Gericht (iudieium secretum, stilledink, heimliche Acht).5) 
Erst spáter verwischt sich diese Unterscheidung; von der Heimlichkeit wurde nach und 
nach mehr Gebrauch gemacht. Gebotenes Ding gab es schon früher auch für andere Rechtssachen, 
für Gutsübertragungen u. dgl. Da konnten ebenfalls Dinge zur Sprache kommen, die besser nicht 
öffentlich behandelt wurden. So vergrößerte sich die Wirksamkeit der geheimen Gerichtsversaram- 
lung und in gleichem Mafe sank die Bedeutung des offenen Freidings.?) Auch konnte man ein offe- 
nes Freigericht zu jeder Zeit in eine heimliche Acht umwandeln. ^) 
Das echte F'reiding, das zuständig war für die Rechtssachen der Freigrafschaft, 
setzte sich zusammen aus dem Freigrafen als Vorsitzendem, den Freischóffen als Ur- 
teilsfindern und den Freien des Bezirkes, seien es freie Herren, Gemeinfreie oder freie 
Landsassen. Das heimliche und gebotene Ding war aufer den geladenen Parteien und 
ihren Vorsprechern nur gebildet durch Freigraf und Freischóffen. Wurde ein offenes 
echtes Ding in ein heimliches umgewandelt, so muften die Niehtschóffen die Ding- 
stätte verlassen. Der Sehóffe war ,,wissend'', d. h. er war bei Aufnahme unter die Frei- 
schôffen über seine Pflichten und Rechte aufgeklürt worden.®) Wie sich aber damit 
  
  
zogen háütte. Das Interesse der Kólner Erzbischófe an den Freigerichten erklärt HEUSLER aus deren 
Verwendbarkeit zu Ketzergerichten, ohne mit dieser Wiederholung der lángst abgetanen Auffassung 
TuvupicHuMs (HZ. NF. 32) Glück zu haben. Über das Verhältnis der Kölner Erzbischöfe zur Veme 
vgl. insbesondere M. JANsEN aaO. S. 106f. 
1) Bischof Everhard von Münster kauft 1280 die Freigrafschaft Oesede, 1282 die vor den 
Toren Münsters gelegene Freigrafschaft. 
2) Die Freigrafen urkunden später selbständig und haben eigenes Siegel (seit dem 15. Jh. 
ein S oder Sine Ritter mit dem Schwerte) Abbildungen bei UsENER aaO. 
. o. S. 186. 
4) Die wenigen Kónigsbannsachen des Sachsenspiegels: Klage über Eigen und Ungericht 
Schóffenbarer bildeten die Kompetenzen des Freigrafen, durch die er sich von anderen Richtern 
unterschied. 
5) LINDNER, S. 477. 6) LINDNER, S. 545. 7) Z. B. wenn der Beklagte nicht erschien. 
8) Der Freischóffe scheint nur an dem Stuhl, an dem er wissend gemacht war, berechtigt 
gewesen zu sein, das Urteil zu finden. LINDNER, S. 546. 
     
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
   
  
  
  
  
  
   
   
    
    
   
  
	        
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