Full text: Deutsche Verfassungsgeschichte von den Anfängen bis ins 15. Jahrhundert (2. Reihe, Abteilung 3)

   
  
      
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
   
  
  
   
   
   
   
  
  
    
    
  
  
  
   
     
    
  
20 Aloys Meister: Deutsche Verfassungsgeschichte des Mittelalters usw. 
Auch Gericht konnte im Think gehalten werden in Fragen, die sich auf die ganze 
Völkerschaft bezogen, in denen der allgemeine Volksfriede verwirkt wurde, z. B. bei 
Landesverrat, Fahnenflucht u. a. Durch einen solchen Gerichtsspruch übte die Lan- 
desgemeinde das ihr zustehende Recht aus, jemanden aus ihrer Mitte auszustoßen. 
Sie verpflichtete jeden Volksgenossen, den Friedbrecher zu verfolgen und zu töten. 
Sein Tod sollte eine Sühne sein für die durch die Missetat beleidigten Götter. 
Die Volksversammlung trat an festen Terminen zusammen, bei Eintreten des 
Vollmonds oder des Neumonds. Man tagte unter freiem Himmel an einer den Göttern 
geheiligten Stätte. Die Zustimmung zu einem vorgebrachten Antrag gab man durch 
den Waffenschlag?), nämlich ein Rühren der Speere oder ein Zusammenschlagen der 
Schilde. Mißbilligung wurde durch Murren kundgegeben. Jedenfalls konnte es aber 
auch vorher zu óffentlicher Rede und Gegenrede, zu einer Diskussion kommen. ?) 
Über den Leiter der Versammlung wissen wir nichts Bestimmtes. Im kóniglichen Staat 
hat aber wohl sicher der Kónig die Versammlung geleitet, im Freistaat vielleicht der 
Oberpriester der Volkerschaft. 
Von einer Versammlung zur anderen erledigten die principes eines Volkes die 
laufenden Geschäfte. De minoribus rebus principes consultant, sagt Tacitus. Sie 
bildeten, wie oben bemerkt, zu diesem Zwecke einen Fiirstenrat. 
Außer der Versammlung der Völkerschaft muß auch die Möglichkeit von Gauversammlungen 
offen gelassen werden. War ein Volk zu zahlreich geworden, hatte es zu weite Gebiete in Besitz 
genommen, dann konnten nicht mehr alle zu einer gemeinsamen Versammlung kommen. Da ver- 
sammelte sich wohl der Gau zur Erledigung seiner näheren Bedürfnisse. Das wurde aber gleichzeitig 
der Ausgang zur größeren Selbständigkeit des Gaues, ja, zur Entstehung von Teilstaaten. 
Von den übrigen Versammlungen, die der Germane kennt, sind die Versammlungen größerer 
Völkergruppen wie der Ingväonen, Istväonen und Herminonen schon erwähnt; es sind reine Kult- 
versammlungen zu gemeinsamen religiösen Opfern dieser Verbände. — Die Gerichtsversammlung 
des Siedelungsbezirkes wird bei der Gerichtsverfassung zu erwähnen sein. 
4. Das Kriegswesen. 
v. PEUCKER, Das deutsche Kriegswesen der Urzeiten. 3. T. 1860/64. F. W. BARTHOLD, 
Gesch. der Kriegsverfassung und des Kriegswesens der Deutschen. 2. T. 1855. Hans DELBRÜCK, 
Gesch. des Kriegskunst. Il. Die Germanen. 1902. Orro Dauw, Die Feldzüge des Germanikus in 
Deutschland. Westd. Z. Ergheft. XI. 1902. WEINHOLD, Beitrige zu den deutschen Kriegsaltertümern. 
SB. d. Berl. Ak. 1891. S.543f. Warrz, Vig. I3, S. 231, 402—417. BRuwwER, Rg.I?, S. 180f. 
W. SickzEr, Freistaat, S. 126f. P. Roru, Gesch. des Benefizialwesens. S. 33f. MÜLLENHOFF, Deutsche 
Altertumskunde IV. S.173f., 198—207, 256f. AnNorp, Deutsche Urzeit, S. 251—306. F. Dauw, 
Deutsche Gesch. I, S. 223f. LAMPRECHT, Deutsche Geschichte I, S. 132f. SCHRÖDER, Rg.% S. 401. 
M. JXnws, Handbuch einer Gesch. des Kriegswesens von der Urzeit bis zur Renaissance. 1880; im 
allgem. über die Entwicklung der Kriegswissenschaft vergleiche man M. Jàuws, Gesch. der Kriegs- 
wissenschaft vornehmlich in Deutschland. 3 Bde. 1889—91. S. RrgTscHEL, Die germanische Tau- 
sendschaft, in ZSavRg. GA. Bd. 27. 1906. 
Eine kriegerisehe Periode lag vor der Zeit des erkennbaren Auftretens der 
Germanen in ihren geschichtlichen Sitzen. Angriffe und Abwehr wechselten 
auf der Wanderschaft, und auch noch nach der Niederlassung galt es kriegsbereit 
zu sein, um die neuen Wohnstätten zu verteidigen und das Volk zu schützen gegen 
durchwandernde Horden und gegen feindliche Nachbarn. In diesem Kampfe um 
die Existenz ist die kriegerische Seite des alten Germanentums besonders aus- 
gebildet worden. Ihre Götter dachten sie sich als Kriegsgötter, sie feierten in 
ihnen Heldengröße; und in ihren Vorfahren sahen sie Kriegshelden mit allen kriege- 
rischen Tugenden. «i pa 
1) Im Nordischen Väpnatak genannt. Vgl. Konr. MAURER in der Germania, hrsg. von 
Banrscn, 16, 317. Erwüáhnt wird der Waffenschlag Tacitus, Germania c. 11; Hist. V, 17; GREGOR 
v. Tours, Hist. franc. II, 40; Annales Mettenses ad a. 690 (MG. SS. I, 317). Vgl. auch Grimm, Rechts- 
altertümer IT, S. 3831. 
2) Vgl. BRuNNER, Rg. I?, S. 177, Anm. 18. 
  
	        
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