Full text: Deutsche Verfassungsgeschichte von den Anfängen bis ins 15. Jahrhundert (2. Reihe, Abteilung 3)

   
24 Aloys Meister: Deutsche Verfassungsgeschichte des Mittelalters usw. 
mann gewährte, war ein militärischer Schutz, er schützte ihn vor Angreifern und ver- 
teidigte ihn mit seiner Macht. Die Verpflegung gab er dem Gefolgsmann in der eigenen 
Herrenhalle; denn mit der Aufnahme in die Gefolgschaft war die Aufnahme in die 
Hausgenossenschaft verbunden, Speise und Trank und Schlafstelle hatte der Ge- 
folgsmann im Hause des Herrn. Außer der notwendigen Ausrüstung spendete ihm 
der Herr zur besonderen Belohnung für treuen Dienst und hervorragende Taten auch 
wohl Schätze, Gewänder, Ringe, Rosse und Waffen.*) Auch lohnte er ihre Tüchtigkeit 
durch eine Rangabstufung unter ihnen.?) 
Besonders vornehme Abstammung und große Verdienste des Vaters ermög- 
lichten auch in jugendlichem Alter schon die Aufnahme in die Gefolgsehaft.3) 
Die Pflichten der Gefolgsleute anderseits lagen in den Aufgaben einer militári- 
sehen Leibwache. Der Gefolgsmann mufte den Herrn verteidigen mit seinem eigenen 
Leibe; er kämpfte daher im Kriege neben ihm. Fiel der Herr, so war es schimpflich 
ihn zu überleben. Im Frieden tat der Gefolgsmann Dienste, soweit sie ein freier 
Mann tun konnte, denn die soziale Stellung wurde durch den Eintritt in die Gefolg- 
schaft nicht gemindert; das Ergebenheitsverhältnis zu einem Herrn und die einge- 
gangenen Verpflichtungen verringerten weder die persönliche Würde des freien Man- 
nes noch seine Rechte. 
Der Eintritt in die Gefolgschaft geschah durch einen Treueid und sonstige Fórm- 
lichkeit, vielleicht Darreichung von Geschenken durch den Herrn, etwa Roß und 
Waffen. Es war ein freiwillig eingegangenes Verhältnis; niemand konnte zum Eintritt 
gezwungen werden. Die Verpflichtung wurde eingegangen auf Zeit, sie war nicht 
lebenslänglich. Nach gegenseitiger Vereinbarung wurde sie gelöst, wenn der Gefolgs- 
genosse einen eigenen Hausstand gründen wollte. 
Nicht jeder Freie konnte sich eine Gefolgschaft halten, sie war zu kostspielig; 
deshalb war die Unterhaltung eines Gefolges tatsüchlich*) nur auf Könige und Fürsten 
beschränkt; umgekehrt wurde deren Stellung und ihr Ansehen sowohl beim eigenen 
Volk als auch den Nachbarvólkern gegenüber gehoben durch eine ansehnliche Gefolg- 
schaft. Die Zahl der Gefolgsleute war nicht feststehend, sie wechselte nach Bedarf 
und Gelegenheit. Es sind uns Gefolgschaften von 15 und von 120 und mehr Mit- 
gliedern überliefert und einmal 240.°) In letzterem Falle aber erregte der Gefolgsherr 
. den Unwillen seines Volkes wegen dieser hohen Gefolgszahl. Schon die Unterhaltungs- 
pflicht des Herrn im eigenen Hause schlieBt es aus, dab die Gefolgsehaft sehr zahlreich 
war. Daher ist jetzt auch die frühere Ansicht ganz aufgegeben, daß die Staatengrün- 
dungen der Germanen auf römischem Boden, ja, die Wanderungen der Germanen 
überhaupt nur Züge von Gefolgsherren mit ihrer Gefolgschaft gewesen seien. 
Zum Eintritt in die Gefolgschaft war jeder wehrhafte jugendliche Freie berech- 
tigt; dem Gefolgsherrn aber stand es frei, ihn aufzunehmen oder abzulehnen. Wenn 
er schon bei der Wehrhaftmachung in die Gefolgschaft eintrat, so nahm nicht der 
Vater, sondern der princeps selbst die Wehrhaftmachung vor. Im allgemeinen war 
  
1) Ringspender heiBt er in der Dichtung, die Gefolgsleute sind Ringfreunde. Vgl. BRUNNER, 
T2, S. 192, Anm. 57. 
2) Tacitus, Germania c. 13: gradus quin etiam ipse comitatus habet iudicio eius quem sec- 
tantur. 
3) Tac., Germ. c. 13: insignis nobilitas aut magna patrum merita principis dignationem etiam 
adulescentulis assignant, ceteris robustioribus ac iam pridem probatis aggregantur, nec rubor inter 
comites aspici. Unter den stárkeren und bewährteren Männern will HEUSLER, Vfg. 9, Waffenmeister 
verstanden wissen, die den ,,Kadetten'^ Unterricht erteilen. 
4) Gesetzliche Beschränkung, ein Gefolge zu halten, oder in ein solches einzutreten, hat 
wohl nicht bestanden. v. BELOWS Auffassung (Staat d. MA., S. 220), daB nur obrigkeitliche Personen 
ein Gefolge halten dürften, hat Widerspruch gefunden durch KEUTGEN (Staat d. MA., 8. 29). 
5) Vgl. Rorx, Benefizialwesen, S. 29. Nach Ammianus Marcellinus XVI 12, 60 ergaben sich 
200 Gefolgsleute des Konigs Chnodomar nach der Schlacht bei Straßburg in die Gefangenschaft. 
       
    
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
     
    
  
  
  
  
    
	        
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