Full text: Deutsche Verfassungsgeschichte von den Anfängen bis ins 15. Jahrhundert (2. Reihe, Abteilung 3)

   
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wiederum individuell vollzogen. Auch änderte sich vielfach das Verhältnis der ger- 
manischen Staaten zum Römerreiche im weiteren Verlaufe der Entwicklung. 
Allen gemeinsam war die erste Einführung unter Zustimmung des Kaisers. Die 
germanischen Herrscher ließen sich römische Amtstitel erteilen, sie traten als dux, 
patricius, proconsul oder magister militum in den rômischen Amtsorganismus ein, und 
dadurch kam die Unterordnung unter den Kaiser und unter die römische Reichsein- 
heit auch äußerlich zum Ausdruck. Die Verfassungszustände, die sich dann bei diesen 
Neubildungen entwickelten, standen alle mehr oder minder unter der Rückwirkung 
römischen Einflusses. So hat bei allen das Bekanntwerden mit römischen Auschau- 
ungen dahin geführt, daß die Herrschergewalt erstarkte. Es entsteht eine Königs- 
gewalt, die sich von dem Königtum der Urzeit weit entfernt hat. Für die einzelnen 
Staatsangehörigen verdrängt allmählich der Begriff des Staatsuntertauen, der der Be- 
fehlsgewalt des Herrschers untersteht, den des freien, mitbestimmenden Volksgenossen. 
Die Zusammensetzung der Staatsangehörigen ist eine andere geworden, es ist nicht 
mehr die einheitliche stammverwandte Völkerschaft der Urzeit. Neben dem staats- 
bildenden Hauptvolk sind viele mitgezogen, und mitgenommene ,,Reisláufer'* und vor 
allem auch die Rómer sind zu einem Staate zusammengefaßt. Nur die Vandalen haben 
Ja nachher mit den Römern aufgeräumt. Und diese Verschiedenheit der Abstammung 
wird in den neuen Staaten noch vermehrt durch die Verschiedenheit der Religion: die 
Ostgermanen waren wührend der Wanderung Arianer geworden, die Rómer dagegen 
waren Katholiken. Das war für diese Staaten ein gemeinsamer Keim des Verderbens; 
die Reiche der Ostgoten, Burgunder und Vandalen sind zuletzt daran zugrunde ge- 
gangen. 
Die Landnahme der Ostgermanen geschah im Einklang mit ihrem Einpassen 
in die romische Staatseinrichtung durch eine Landteilung mit den Rómern nach dem 
bestehenden rómischen Einquartierungssystem.!) 
Das spätrômische Einquartierungssystem schrieb vor, daB der Grundbesitzer, 
possessor, dem Soldaten, hospes, ein Drittel seines Hauses einräumte, Der Higen- 
tümer durfte zuerst ein Drittel auswühlen und mute dann dem Soldaten die Wahl 
zwischen den beiden anderen Dritteln lassen. Die Verpflegung erhielt der Einquar- 
tierte durch die Militàrverwaltung, sei es in Naturalien aus Staatsmagazinen, sei es 
in Geld. Bei der Einquartierung der landsuchenden Germanen wurde insofern eine 
Anderung vorgenommen, als dem germanischen Krieger auBer einem Drittel des Hau- 
ses auch ein Teil des Grundbesitzes des Possessors zugeteilt wurde. Dafür brauchten 
die römischen Provinzialen, die die Grundstücke hergaben, keine Naturalien mehr an 
die Staatsmagazine abzuliefern. So waren die Germanen nicht geschlossen, sondern 
gleichsam dauernd in Quartier gelegt, immer eine germanische Familie neben einer 
Römerfamilie angesiedelt. Die Römer behielten ihre Freiheit und ihren Besitz, sie 
verblieben bei ihrem Recht. Am schonendsten wurde das ostgotische Reich in den 
Rahmen des römischen Staates eingepaßt. Aber es blieb nicht überall bei diesem an- 
fänglichen Verhältnis. Die Vandalen haben sich unter Geiserich, die Westgoten unter 
Eurich unabhängig gemacht, die Burgunder haben die römischen Elemente später 
selbständiger umgemodelt. 
a) Die Vandalen. Die Vandalen, die mit den Alanen und suebischen Volksteilen vereint in 
Gallien 406 eingebrochen waren und sich eine Zeitlang (seit 409) in der pyrenäischen Halbinsel auf- 
gehalten hatten, waren 429 (von dem römischen Statthalter Bonifatius gerufen?) nach Afrika über- 
gesetzt. Ihre Ansiedlung stellt sich dar als eine vertragsmäßige Gebietsabtretung, für die sich die 
Vandalen in einem Frieden von 435 zur Tributzahlung verpflichteten. Nach einem abermaligen 
Kriege erfogte 442 ein neuer Vertrag zwischen dem Vandalenkónig Geiserich und dem rómischen 
1) Cod. Theodosianus VII 8, 5 (Arcadius et Honorius 398). 
GrundriB d, Geschichtswissenschaft II. 3. 8. Aufl, 
    
  
  
  
  
  
  
   
    
    
    
   
     
   
   
  
  
   
    
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
   
  
  
  
  
    
      
   
	        
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