Full text: Deutsche Verfassungsgeschichte von den Anfängen bis ins 15. Jahrhundert (2. Reihe, Abteilung 3)

   
       
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
   
   
  
   
   
40 Aloys Meister: Deutsche Verfassungsgeschichte des Mittelalters usw. 
Staatsgewalt repräsentierten, noch deutlich nach. Aber es entstand doch jetzt die 
Auffassung, daß die Regierungsgewalt vom König ausgehe, und daß der König der 
Träger der höchsten Staatsgewalt sei. 
Die Momente, die diese Steigerung des königlichen Ansehens herbeigeführt haben, 
sind vor allem: 
1. Der Zuwachs an gallo-römiseher Bevölkerung. Die Römer sahen im Herrscher 
den unumschränkten Gewalthaber; sie übertrugen ihre frühere Unterordnung unter das 
imperium auf ihr Verhältnis zum fränkischen König. Naturgemäß verfehlte die Stel- 
lung des Königtums zu den Römern nicht, ohne Rückwirkung zu bleiben auf die 
Stellung des Königs zu den Franken. Denn das Königtum hatte das Bestreben, ein- 
heitlich zu sein, nicht etwa den Römern gegenüber eine andere königliche Machtfülle 
zu üben als den Franken gegenüber, 
2, Die Annahme oder Anlehnung an römische Einrichtungen. Indem das junge 
fränkische Großkönigtum sich Staatseinrichtungen zunutze machte, die durch die 
Praxis des komplizierten antiken Staatswesens erprobt waren, trug es wesentlich 
zur Befestigung und Stärkung der Staatsgewalt bei. Hierzu gehören u. a. Ver- 
suche mit dem römischen Steuerwesen, einem fränkischen Zoll- und Münzwesen, 
die königliche Kanzlei, das gesamte Domänenwesen und einige öffentliche Dienste 
der Untertanen, 
3. Der Anschluß Chlodwegs und seiner Nachfolger an das katholische Christen- 
tum bewahrte sein Reich nicht nur vor dem Zwiespalt zwischen Arianismus und Atha- 
nasianismus, sondern stellte die wohlorganisierte und hierarchisch gegliederte Kirche 
in den Dienst des fränkischen Königtums. Die gallische Kirche, von den Franken 
übernommen und geschützt, vergalt diesen Schutz durch Stärkung des monarchischen 
Gefühls auf der Basis der christlichen Moral und durch Unterstützung der staatlichen 
Disziplin, die ja wiederum ihr selbst zugute kam. An die Stelle des germanischen 
Mythus von der göttlichen Abstammung des Königsgeschlechtes setzte sie die christ- 
liche Auffassung von der Heiligkeit des von Gott eingesetzten Königtums. Der Herr- 
scher ist ein König von Gottes Gnaden; dies ist seit Karl d. Gr. (768) auch im könig- 
lichen Urkundenwesen durch die sog. Devotionsformel „gratia dei rex‘ zum Aus- 
druck gebracht. Unter dem Einfluß der Kirche wird die königliche Gewalt aus dem 
göttlichen Rechte hergeleitet. 
4. Der Erwerb eines umfangreichen Krongutes, das dem Kónig durch seine Er- 
oberungen zufiel, setzte ihn in die Lage, materiell seine Getreuen zu unterstützen. 
Durch reiche Krongutverleihungen schuf er sich eine starke Gefolgschaft und ein er- 
gebenes Beamtentum. In Gallien vermehrten auferdem noch Abgaben aus dem an- 
tiken Steuerwesen die Machtmittel des Künigs. 
Die gewaltige Maehtsteigerung darf uns jedoch nicht veranlassen, die königliche 
Stellung im Frankenreiche als eine unbeschrünkte anzusehen. Wohl kamen Willkür- 
akte vor, besonders unter den Sóhnen Chlotars L, aber das war Überschreitung der 
königlichen Machtbefugnis. Der Känig war noch in mancher Hinsicht beschränkt 
durch das Volk, und hierin erkennen wir die Nachwirkung des germanischen Königs- 
begriffes. Die Volksversammlung, mit der gemeinsam der König früher die oberste 
Gewalt repräsentierte, war nach der Reichsgründung fortgefallen; nur noch bei der 
Erhebung der Amulfingischen Dynastie zum Kónigtum trat sie in gréBerem Umfange 
zusammen und brachte den Volkswillen zum Ausdruck. War so der Konig im allge- 
meinen von der Bevormundung durch die Volksversammlung frei geworden, so hat 
doch das Volk in Waffen, die Heeresversammlung, hin und wieder sich der alten 
Vorrechte erinnert. Der König muß wohl mal sein Heer zu einem Kriegszug bewegen, 
  
	        
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