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42 Aloys Meister: Deutsche Verfassungsgeschichte des Mittelalters usw.
berechtigt waren zunächst die regierungsfähigen Söhne und, wenn keine existierten,
die Brüder des Königs. Waren mehrere gleichberechtigte Erben da, so teilten sie sich
in die Herrschaft (Arbeitsteilung). Waren solche Teilreiche vorhanden, so machte die
Erbfähigkeit nicht an deren Grenzen halt; der nähere Verwandtschaftsgrad begrün-
dete ein gegenseitiges Erbrecht in allen Teilreichen.")
Aber das Wahlprinzip war nicht ganz vergessen. Pippin wurde durch Wahl der
Franken König, und auch Arnulf ist durch die ostfréinkischen Stdmme zum Konig
gewählt worden. Selbst als Karl d. Gr. 771 die Alleinherrschaft erhielt, geschah es
consensu omnium Francorum, und bei den Reichsteilungen von 808, 817 und 843
sowie bei der Vereinigung der Reiche unter Karl III. spielten Zustimmung und Wahl
der Großen eine Rolle. Die Wahl der Franken war die volkstümliche Grundlage des
früánkischen Kónigtums; deshalb haben auch Schwaben, Bayern, Sachsen und Thü-
ringer in dem fränkischen König nur den Eroberer gesehen, dem sie gehorchen
mußten. Auch 843 bei den Straßburger Biden erscheinen Ludwig und Karl in ge-
wissem Sinne als Volkskónige, die an der Spitze eines Volkstums stehen, denn ihr
Staat und seine Grenzen werden damals erst festgesetzt.?) Im übrigen aber galt das
Reich als ein erblicher Besitz der Karolingerfamilie. Man teilte das Reich wie einen
Privatbesitz unter die Sóhne. Bei normalem Erbgang, wenn nur ein Erbe, der regie-
rungsfähig war, in Frage kam, oder die Erbfolge dureh Teilungsvertrag geregelt war,
hatte die Erbwahl nur die Bedeutung einer Anerkennung seitens der Großen. Bei
anormalen Fällen dagegen hat das Wahlprinzip wieder mis dem Erbprinzip konkurriert.
Die Regierungsfähigkeit ist schon früh eingeschränkt worden. Als nicht erb-
fáhig im Kónigtum und nicht regierungsfähig gelten : 1. die mit körperlichen und gei-
stigen Gebrechen Behafteten, 2. Unmündige, 3. Frauen; dazu kam in der Karolinger-
zeit unter dem EinfluB der Kirche, daB 4. uneheliche Sóhne im allgemeinen nicht als
erbberechtigt galten und nur dann in Frage kamen, wenn kein regierungsfühiger ehe-
licher Sohn vorhanden war. 5. Söhne, die in den geistlichen Stand eintraten, schieden
von der Thronfolge aus.
Schon zur Anerkennung der Regierungsfähigkeit war die Mitwirkung der Großen
nötig. Damit war ihre Beteiligung am Thronwechsel aber nicht erschöpft. Die Großen
sind in der Folgezeit die eigentlichen Wahler. Sie verschaffen durch ihre Huldigung
dem neuen König Anerkennung. Und bei Reichsteilungen wird ebenfalls die Zustim-
mung der Großen eingeholt.
Der Regierungsantritt nahm seinen Ausgang von der Thronerhebung, elevatio®);
es ist dies nur eine veränderte Form für die alte germanische Schilderhebung. War
der König mündig, so bestieg er feierlich den Thron und drückte dadurch öffentlich
die Besitzergreifung der Herrschaft aus. Unmittelbar daran schloß sich die allgemeine
Huldigung; von den Großen, die der Thronbesteigung beiwohnten, nahm der neue
König sie sogleich durch einen Eid entgegen, dann fuhr er auf einem mit Ochsen
bespannten Wagen durch das Reich und empfing auf dieser Umfahrt die Huldigung.
Dort, wohin der König nicht kam, nahmen die missi den Treueid ab.
Seit Pippin gehörte zum Regierungsantritt auch die kirchliche Salbung?) und
Weihe, und im 9. Jh. trat auch noch die Krónung hinzu. Pippin ist zuerst 751 durch
1) Dabei blieb es oft strittig, ob beim Tode eines Teilerben die Brüder oder die Sóhne des Ver-
storbenen sein Teilreich erben konnten. Wenn dieser Fall eintrat, kam es immer zu Bürgerkriegen,
in denen das Prinzip des Einheitsstaates sich zur Wehr setzte gegen die Weiterführung des privaten
Erbrechts am Teilreich.
2) KxuTGEN aaO. S. 38.
3) Vgl. H. ScHREUER, Die Thronerhebung des deutschen und des franzósischen Königs (Fest-
schrift GIERKE, S.697ff.). Derselbe, Die rechtlichen Grundlagen der französischen Königskrönung 1911
4) E. MÜHLBACHER, Deutsche Geschichte unter den Karolingern. S. 50.