Die Provinzialverwaltung
Karolingerzeit die Beisteuer zum Heer für den Dispens von der Heerfahrt. Unter
Karl d. Gr. werden besondere haribannatores erwähnt zur Eintreibung der Heer-
bannbußen.
Der Graf führte die Polizeiaufsicht und sorgte für Ruhe und Ordnung. Er mußte
den Gauinsassen, wenn der Konig nicht selbst kam, den Untertaneneid abnehmen;
oder wenn der König dazu einen besonderen Kommissar im königlichen missus
schickte, so mußte der Graf die Gauleute, die noch nicht Treue geschworen hatten,
einberufen. Er mußte Verbrecher verfolgen und darauf sehen, daß die Acht voll-
zogen wurde. Er hatte die Verkehrspolizei; er mußte darauf achten, daß Brücken
und Wege durch Fronarbeit instand gehalten wurden, und er mußte wachen über die
Entrichtung von Verkehrs- und Marktabgaben. Er mußte die Kirchen beschützen
und überhaupt denjenigen, denen der König Schutz gewährte, diesen Schutz leisten.
Als finanzieller Beamter trieb er die etwaigen Abgaben und Steuern ein, emp-
fing die Bannbußen und die Friedensgelder.
Als Amtsgehalt behielt er einen Teil dieser fiskalischen Einkünfte seiner Graf-
schaft für sich zurück; das übrige lieferte er dem königlichen Schatz ab. Ihm
stand zu ein Drittel der Bannbußen und der Friedensgelder. Außerdem wurde ihm
aus dem kóniglichen Besitz ein Amtsgut zur Nutzung überwiesen. Im übrigen hatte
der Graf das Recht, auf Dienstreisen Herberge und Beförderung zu verlangen.
Der Graf war geschützt durch das dreifache Wergeld des königlichen Beamten.
Der König setzte ihn ein und ab nach seinem Belieben. Anfangs ist er oft auf eine
bestimmte Zeit ernannt und er ging ab „officio completo‘“.*) Es stand dem König frei
zum Grafen zu ernennen, wen er wollte, und so wurden Franken, Romanen, Freie,
Liten und selbst Unfreie zu Grafen ernannt. Der kónigliche Hofstaat wurde die
Pflanzschule für die Grafen; der König entnahm sie aus seiner Umgebung ohne
Rücksicht auf den Gau, dem sie vorstehen sollten. Doch schon Chlotar II. mußte
6142) der Aristokratie die Konzession machen, daB in Zukunft kein iudex (= Graf)
de aliis provinciis aut regionibus ernannt würde. Es sollte dadurch den Bedrückungen
Seitens des Grafen vorgebeugt werden, man wollte sich an seinen Besitzungen gegen
Mißbrauch schadlos halten. Es war dies gleichzeitig ein Zurückgreifen auf die Zeit
vor Chlodwech, wo der thunkin bzw. der princeps ebenfalls aus den führenden Fami-
lien des Gaus hervorgegangen war. Da somit der König bei der Ernennung der Gra-
fen auf die Grundbesitzer des betreffenden Gaues beschränkt wurde und er nicht mehr
die Grafen von einer Grafschaft in die andere versetzen konnte, so begann bereits da-
mals die Erblichkeit sich anzubahnen. Karl d. Gr. brach jedoch wieder mit dieser
Bestimmung und wahrte sich das unumschränkte Einsetzungsrecht. Unter seinen
schwächeren Nachfolgern aber gab die Krone wieder nach, worauf bald die Erblichkeit
der Grafenwürde vom Vater auf den Sohn eintrat.
Von Karl d. Gr. war die Grafengewalt durch das Institut der missi dominici
in Schranken gehalten worden. Nach seinem Tode wuchs sie noch bedeutend, da diese
Kontrolle erlahmte, die Herzogsmacht über ihr fortgefallen und auch das Amtsgericht
zu einem erblichen Lehen geworden ist. Der Zentenar wurde ein Unterbeamter des
Grafen.
Ein durch Macht noch besonders ausgezeichneter Graf war der Markgraf, comes
marcae, marchio, marchisus u. a. Ihm untersteht ein größeres Gebiet an der Grenze;
oft hat er an der Grenze eine Grafschaft und außerdem noch ein dem Feinde ab-
genommenes Vorland, die marca. Der ihm übertragene Grenzschutz bedeutet für ihn
besonders weitgehende militärische Vollmachten.
1) GrEGOR v. Tovuzs, Hist. Francorum V, 36. 2) Ciotharii II. ed. c. 12. MG. Cap. I, 22.
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