Full text: Deutsche Verfassungsgeschichte von den Anfängen bis ins 15. Jahrhundert (2. Reihe, Abteilung 3)

   
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
    
  
     
    
   
  
  
   
   
   
   
   
   
   
   
    
     
   
    
     
   
   
    
       
      
   
   
12 Aloys Meister: Deutsche Verfassungsgeschichte des Mittelalters usw. 
Krieg gegen die Thüringer. Das Heer konnte sogar den Rückzug verweigern und die 
Fortsetzung eines Krieges gegen die Absicht des Kónigs durchsetzen. Das taten die 
Truppen unter Chlothar L, als sie ihn zwangen, den Sachsenkrieg weiterzuführen. 
Als Theuderich im Burgunderkrieg neutral bleiben wollte, konnte er die Kriegslust 
seines Heeres nur dadurch bändigen, daß er ihnen einen Krieg in die Auvergne ver- 
sprach, der viel größere Beute verhieß. Auch die Beute konnte der König nicht frei 
verteilen; das Heer teilte selbst. Und in der Freilassung der Kriegsgefangenen war 
der König nicht frei; denn auf das Lösegeld hatten die Truppen Anspruch. Die Offi- 
ziere hat noch nicht der König ernannt, sie wurden vielmehr vom Heere gewählt. 
Durch alle diese Momente kennzeichnet sich das merowingische Heer noch als eine 
Fortsetzung des alten Volksheeres. Es waren deshalb auch in der Hauptsache Fuß- 
truppen. In der ersten Zeit des fränkischen Reiches werden es nur Salier und Ribua- 
rier, also die wehrfähige Mannschaft aus dem austrasischen Gebiet, gewesen sein, die 
tatsächlich die allgemeine Wehrpflicht erfüllten. Erst mit dem Vordringen der fränki- 
schen Einrichtungen ließ sich auch bei den anderen unterworfenen germanischen 
Stämmen wieder an deren allgemeine Wehrpflicht anknüpfen. In Gallien wird die all- 
gemeine Wehrpflicht nach germanischer Art nicht sofort eingedrungen sein, hier wird 
zunächst das römische Militärsystem, wonach der Großgrundbesitzer seine Kolonen, 
die Stadt ihre Bürger als Soldaten zum Heer entsandte, auch dem fränkischen Könige 
Krieger, wenn er ihrer aus den dortigen Gegenden bedurfte, zugeführt haben.) 
Soweit dieses Heer sich nicht nur aus dem Volksaufgebot einer bestimmten Ge- 
gend zusammensetzte?), sondern auch zahlreich zustrómende freiwillige Krieger ent- 
hielt, die auf Landsehenkung und Ansiedelung hofften, benutzte sie der Kónig zur 
militärischen Kolonisation, um die eroberten Länder auf diese Weise dauernd 
militärisch zu besetzen und gleichzeitig Stützpunkte für das Frankentum und die 
{ränkischen Einrichtungen zu erwerben. Vornehme und hervorragend tüchtige Männer 
bekamen große Ländereien, so daß sich allenthalben eine dem Frankentume zuge- 
tane Aristokratie mit Großgrundbesitz entwickelte. Nicht nur Franken, sondern auch 
einheimische Große, wie wir das besonders bei den Sachsen wissen, wurden auf diese 
Weise aus dem eroberten Gute mit einer kóniglichen curtis oder villa ausgestattet.?) 
Wenn dies planmàfig geschah, so konnte darauf Bedacht genommen werden, daß 
in jedem Bezirke jemand angesetzt wurde, der gleichzeitig der Befehlshaber der Truppen 
dieses Bezirkes werden wollte, es ist der garöfjo, der Graf, 
1) So sind die von GREGOR v. Tours erwähnten Bituricenses und Pictavienses als Heeresteile 
zu verstehen. Vgl. auch SCHILLER u. VoiaT, Die römischen Staats-, Kriegs- und Privataltertümer. 
S. 720. HEusLER, Vig. S. 38. 
2) HEUSLER, Vfg., S. 42£., läBt die merowingischen Kónige ihre Kriege hauptsüchlich mit 
einer trustis dominica führen. Unter trustis versteht er ein stehendes Heer von Freiwilligen. Er 
stützt sich, soviel ich sehe, nur auf ein Edikt Chlothars I. und Childeberts, der Sóhne Chlodwegs. 
Indessen der fortdauernde ZufluB kriegstüchtiger Mannschaft schlieBt, da er immer unbestimmt ist, 
die Notwendigkeit eines auf allgemeiner Wehrpflicht beruhenden Volksaufgebotes nicht aus, be- 
sonders bei zahlreichem Feind. 
3) RÜBEL, Reichshôfe im Lippe-, Rubr- und Diemelgebiete und am Hellwege (Beitr. z. Gesch. 
Dortmunds u. d. Grafschaft Mark. H. 10). 1901; Derselbe, Die Dortmunder Reichsleute (ebd. H. 15). 
1907; Derselbe, Die Franken, ihr Eroberungs- und Siedelungssystem im deutschen Volkslande. 1904. 
Die systematisch über das ganze Reich sich ausbreitende Markensetzung, die Rünxr. vertritt, kann 
ich nicht annehmen. Nur, wo aus bisherigem Odland ein Königsgut neu errichtet wurde, etwa zum 
Zwecke einer Dotierung, oder an der Grenze in ungemarktem Boden, fand wohl eine genauere 
Grenzabmessung statt, als das früher der Fall war. Dabei kann es leicht sein, daß beide Arten der 
Grenzsetzung, die RÜBEL schildert, nebeneinander vorkamen, etwa die eine mehr an der Grenze, die 
andere mehr im Innenlande. Im übrigen aber, von solchen Fällen abgesehen, brauchte der König 
keine komplizierte Markscheiderarbeit vornehmen zu lassen vermittels duces als Generalkommissaren 
und praefecti als Spezialkommissaren, sondern er nahm als Kónigsgut die Güter der unterworfenen 
Stammesherzóge, die Hófe der getóteten und vertriebenen Gegner usw. 
  
	        
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