Full text: Deutsche Verfassungsgeschichte von den Anfängen bis ins 15. Jahrhundert (2. Reihe, Abteilung 3)

   
  
  
     
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
   
    
        
   
     
    
   
  
    
   
   
    
   
  
   
     
    
    
    
      
82 Aloys Meister: Deutsche Verfassungsgeschichte des Mittelalters usw. 
delszôlle, die von Handelswaren, nicht von Waren zum eigenen Bedarf erhoben wur- 
den. Die Marktzölle wurden an den Märkten als Wertzoll der umgesetzten Ware ent- 
richtet, also als Umsatzsteuer. Die Passierzölle dagegen wurden gezahlt für die Be- 
nutzung einer Verkehrseinrichtung, so als Brückengeld für die Abnutzung einer Brücke, 
als Wasserzoll für die Benutzung einer Fähre, als Streckengeld, Leinpfadgeld, Saum- 
tiergeld usw. für den Gebrauch der dargebotenen Verkehrs- oder Transportmittel- 
erleichterung. Deshalb waren auch durch königliche Privilegien diejenigen von der 
Zollpflicht befreit, die zum Bau und zur Instandhaltung der Verkehrseinrichtungen 
beitrugen. Damit soll nieht gesagt sein, daß königliche Vergünstigungen in der Be- 
freiung vom Zoll nicht auch noch weiter gehen konnten. So wurde die Einnahme 
aus einem Durchgangszoll durch königliches Privileg an Privatpersonen abgetreten, 
wenn diese aus eigenen Mitteln das Verkehrsmittel geschaffen, etwa eine Brücke ge- 
baut hatten. Schon in der Merowingerzeit hat sich eine Opposition seitens der Ari- 
stokratie gegen die Errichtung neuer Zollstátten und gegen die Erhóhung von Zóllen 
geltend gemacht.") In der Karolingerzeit haben die kóniglichen Beamten und die Im- 
munitätsherren schon miBbräuchliche Zollerhebungen vorgenommen, gegen die das 
Königtum selbst einschreiten mußte. 
6. Besondere Abhängigkeitsverhältnisse innerhalb des Untertanenverbandes. 
G. SEELIGER, Die soziale und politische Bedeutung der Grundherrschaft, in Abh. d. sächs. 
Ges. d. W. 1903 (dazu v. Brrow, MIOG.25, S.464f. ; Dorsch, ebenda 26, 8. 3441.). E. STENGEL, Grund- 
herrschaft und Immunität, ZSavRg. 25, S. 286ff. (dazu SEELIGER in HVSchr. 1995, S. 129ff. u. 
STENGEL in ZSavRg. 26, S. 418ff.). SEELIGER, Forschungen z. Gesch. der Grundherrschaft im frühen 
MA. in HVSchr. 1905, S. 305—361. A. HEUSLER, Institutionen des deutschen Privatrechts. 9 Bde. 
1885f. BRUNNER, Rg. 2, § 93. G. MEYER, Gerichtsbarkeit über Unfreie und. Hintersassen nach äl- 
testem Recht, ZSavRg. 2, 90. STENGEL, Diplomatik der deutschen Immunitätsprivilegien . . . 1910. 
M. KnoELL, L'immunité franque. +910. A. PrschEK, Die Vogtgerichtsbarkeit siiddeutscher Kloster. . . 
1907, dazu STENGEL in ZSozWg. 1912, S. 120f. A. Dorsch, Die Wirtschaftsentwicklung der Karo- 
lingerzeit 2, $ 9, 1913.K. HormaNN, Die engere Immunität in d. deutschen Bischofsstädten 1914. 
a) Grundherrsehaft und Sehutzherrschaft. 
Die Grundherrschaft kommt für uns hier nur insofern in Betracht, als wir uns 
fragen müssen, ob sie auf Verfassungseinriehtungen einen EinfluB ausgeübt, ob sie 
am politischen Leben teilgenommen hat. Lange Zeit hat man geglaubt, daß sie alles, 
was in ihren Bereich gehórte, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch sozial und politisch 
sich straff untergeordnet habe. Man sah, daB sie in der Karolingerzeit auf ihre Nach- 
barschaft eine Anziehungskraft ausübte, daß sie ihr Gebiet ausdehnte, und nahm 
an, dab sie alles gleichmäßig unter sich beugte und am Ende des 9. Jhs. freie und un- 
freie Hintersassen zu einer einheitlichen Masse der grundholden Bauern umgeschmol- 
zen habe. Das Mittel, wodurch dies erreicht worden sei, soll das private, unfreie Hof- 
gericht gewesen sein, auf dem nach dem Hofrecht der Unfreien gerichtet wurde. So 
hätte in der Karolingerzeit der Prozeß begonnen, durch den der Grundherrschaft im 
weiteren Verlauf des MA. eine überragende Stellung zugefallen und ein vielverzweigter, 
weitreichender EinfluB gesichert worden sei, besonders dadurch, daß noch die Immu- 
nität zur grundherrlichen Macht hinzukam. 
Demgegenüber steht jetzt fest”), daß das Hofrecht nicht ein einheitliches Recht 
der Unfreien war, daß es auch nicht freie und unfreie Hintersassen in einen 
Stand zusammengeschmolzen hat; es erfaßte gar nicht die ganze Person desjenigen, 
der ein grundherrliches Gut erhalten hatte, sondern nur dinglich das grundherr- 
1) Vgl. d. Edikt Chlothars II. von 614, c. 9 MG. Capitularia I, 22. 
2) Früher schon war vereinzelt abweichend von der herrschenden Ansicht durch HEUSLER 
(Institutionen des deutschen Privatrechtes) das Richtige getroffen worden, ohne daß er damit durch- 
drang. Neuerdings haben SEELIGER und STENGEL mit der alten Ansicht aufgeräumt. Ähnlich 
JOEBERL in Forschungen z. bayr. Gesch. 12, 151 ; v. BeLow, MIOG. 25, 464. 
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