27. Juli 1871.*
LIEBER KUGELMANN,
Sei so gut, einliegendes Billet sofort an Liebknecht zu schicken.
Ich finde Dein Schweigen höchst befremdlich. Ich kann nicht an-
nehmen, daß die verschiedenen Zusendungen von Gedrucktem nicht bei ai
Dir angekommen sind.
Andrerseits wäre es sehr töricht, wenn Du — nach dem alten: Aug’
für Aug’, Zahn für Zahn — mich in dieser Weise für mein Nichtschrei-
ben züchtigen wolltest. Bedenke, mon cher‘, daß, wenn der Tag 48 Stun-
den hätte, ich seit Monaten immer noch nicht mit meinem Tagwerk
fertig geworden wäre.
Die Arbeit für die Internationale ist immens, dazu das Überlaufen ut
Londons mit refugees?, für die wir zu sorgen haben. Außerdem über-- .®
laufen mich andre Personen, Zeitungskeris und andre aller Art, wm
das „monster“ mit eignen Augen zu sehn. & nn Vo
Man’hat bisher geglaubt, die christliche Mythenbildung unter den
römischen Kaiserreich sei nur möglich gewesen, weil die Druckerei
noch nicht erfunden war. Grade umzsekehrt. Die Tagespresse und der
Telegraph, der ihre Erfindungen im Nu über den ganzen Erdboden aus- a
streut, fabrizieren mehr Mythen (und das Bourgeoisrind glaubt und
verbreitet sie) in einem Tag als früher in einem Jahrhundert fertig-
gebracht werden konnten.
Meine Töchter sind seit Monaten in den Pyrenäen. Jennychen, die
immer noch an den Nachwehen der Pleurosie litt, erholt sich zusehends,
wie sie mir schreibt.
Besten Dank für Deine germanischen Zusendungen.
Ich hoffe, daß Du, wie Deine liebe Frau und Fränzchen — die ich
herzlich zu grüßen bitte — sich wohlbefinden.
Apropos! Du warst wahrscheinlich erstaunt, daß ich in meiner
Missive® an die Pall Mall Duellandeutungen machte. Die Sache war
ganz einfach die. Hätte ich dem Editor nicht diese Handhabe gegeben,
ein paar wohlfeile Witze zu machen, so hätte er einfach die ganze
* Das Datum auf dem Brief ist in Kugelmanns Handschrift geschrieben.
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