Full text: Betrieb von Fabriken

  
102 A. Johanning: Die Organisation des Betriebes. 
Die Erzielung hoher Gegenwartsgewinne und die gesunde Fun- 
dierung eines Werkes durch nicht zu knapp bemessene Abschreibungen 
sind divergierende Bestrebungen, die deshalb auch zu verschieden- 
artigen Gebráuchen bezüglich Vornahme der Abschreibungen geführt 
haben. 
Das einzig Richtige ist es, wenn die Abschreibungen vom Am- 
schaffungswerte der Inventarobjekte vorgenommen werden; ge- 
schieht dies, dann wird man, einerlei ob die prozentuale jährliche 
Quote der Abschreibungen kleiner oder größer ist, sich immer mit 
Sicherheit sagen können, daß der Gegenstand in so und so viel Jahren 
amortisiert sein wird. 
Statt vom Anschaffungswerte abzuschreiben, ist es jedoch, vom 
Bestreben nach möglichst großen Gegenwartsgewinnen verleitet, viel- 
fach Brauch geworden, von den letzten Inventurwerten abzuschreiben. 
Bekanntlich wird ja leider bei Prüfung von Abschlüssen meist nur 
nach der prozentualen Höhe der vorgenommenen Abschreibungen 
gesehen, statt, was weit richtiger wäre, nach der Art, wie dieselben 
vorgenommen worden sind; und da fernerhin die Abschlüsse niemals 
erkennen lassen, ob die Abschreibungen von der Anschaffungssumme 
oder von dem letztjährigen Inventurwert vorgenommen worden sind, 
so wird der angegebene modus operandi auch meist ohne Bedenken 
gutgeheiben, da man der Frage keine Bedeutung beimift. Geht man 
der Sache jedoch auf den Grund, dann wird man sich sofort davon 
überzeugen, daß die Art, wie die Abschreibungen vorgenommen 
werden, von allergróBter Bedeutung ist. 
Wenn man eine Maschine jährlich mit 10°/, vom Anschaffungs- 
werte amortisiert, dann ist dieselbe tatsächlich in zehn Jahren ab- 
geschrieben. Nimmt man jedoch eine Abschreibung von 10 % vom 
letzten Inventurwert, statt vom Anschaffungswert, dann dauert es 
z. B. bei einer Maschine im Werte von M 1000.— zirka 50 Jahre, bis 
dieselbe völlig abgeschrieben sein wird; daß solch Verfahren bezüglich 
der Vornahme der Abschreibungen schließlich nichts weiter ist, als 
eine Selbsttäuschung allerschlimmster Art, wird jeder korrekt denkende 
Geschäftsmann ohne weiteres selbst zugeben müssen; denn wo kann 
in einem industriellen Unternehmen von einer 50jährigen Dauer einer 
Maschine die Rede sein; gerade auf dem Gebiete des Maschinenwesens 
überholt heute eine Erfindung und Verbesserung die andere, und 
selbst wenn eine Werkzeugmaschine eine Lebensdauer von 50 Jahren 
haben könnte, so würde solche durch die ständigen Verbesserungen 
illusorisch, da ein kluger und weitblickender Fabrikant doch mit 
seinen Einrichtungen immer auf der Hóhe bleiben und bestrebt sein 
wird, veraltete Einrichtungen durch moderne und verbesserte zu 
ersetzen. Hat man sich also in den ersten Jahren nur zu geringen 
Abschreibungen, weil vom letzten Inventurwert, statt vom Anschaffungs-
	        
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