150 A. Johanning: Die Organisation des Betriebes.
amerikanischen Industrie; während der deutsche Arbeiter immer danach
gestrebt 'hat und sogar heute noch vielfach, wenn auch zumeist zu
seinem Nachteil bestrebt ist, sich seine selbständige Individualität in
seiner schaffenden Tätigkeit zu erhalten, und solche auch tatsächlich
in manchen Industriezweigen bis auf den heutigen Tag sich zu er-
halten vermochte, hat das amerikanische Volk in der Entwickelung
seiner schaffenden Tätigkeit von vornherein auf jede Individualität
und jeden Eigenwillen verzichtet und es trotz seiner sozusagen an-
geborenen, von Freiheitsdrang durchsetzten Denkungs- und Fühlungsart
vermocht, sich vollständig und widerstandslos in den Dienst der
schaffenden Arbeit zu stellen und sich der dabei notwendigen Organi-
sation unterzuordnen, wie solche dem amerikanischen Industriellen zur
Erzielung des Erfolges erforderlich und zweckdienlich erschien: selbst
das freiheitliche Denken und Empfinden, welches der amerikanischen
Nation so ureigen, und das weit über die Grenzen der Vereinigten
Staaten hinaus, ja man kann sagen bei allen zivilisierten Vólkern des
Erdballes durchaus bekannt und spriehwórtlieh geworden ist, weib
man im Lande der ,krassen Utilitàt^ unterzuordnen, wenn solches
zur Erlangung des Erfolges in ihrer schaffenden Tütigkeit notwendig
erscheint, wenn die Prosperitát es erfordert.
In den amerikanischen Werkstätten wird jede einzelne Arbeit in
so viel einzelne Handgriffe zerlegt, wie dies nur möglich und zweck-
dienlich erscheint, da der praktische Amerikaner nur zu gut weiß,
daß je mehr der einzelne Arbeiter in der Verrichtung der immer und
immer wiederkehrenden gleichen Handgriffe selbst zur Maschine wird,
auch dessen Leistung mit der ständig wachsenden Übung eine immer
größere und dabei gleichzeitig auch genauere wird.
Der amerikanische Arbeiter bleibt immer in derselben Werkstatt,
an derselben Spezialmaschine, zur Verrichtung derselben Arbeit, wird
dabei zum Spezialisten in des Wortes wahrster Bedeutung, und wenn
auch jedes individuelle Schaffen dabei schwindet, vielmehr der amerika-
nische Arbeiter im Dienst der Spezialmaschine selbst tatsächlich zur
lebendigen Spezialmaschine wird, so leistet er gerade deswegen quanti-
tativ wie qualitativ bei weitem mehr, als der an individueller Tátigkeit
hüngende deutsche Arbeiter. Dies ist auch des Rätsels Lösung, daß
die amerikanische Industrie die verhältnismäßig hohen amerikanischen
Löhne zu zahlen imstande ist, ohne daß dadurch ihre Konkurrenz-
fähigkeit beeinträchtigt wird.
Keine Maschine ist dem weitsichtigen amerikanischen Fabrikanten
zu teuer, sofern dieselbe nur irgendwelche Vorteile in der Fabrikation
bzw. Produktion verspricht, und es gehört durchaus nicht zu den
Seltenheiten, daß eine erst kürzlich angeschaffte Spezialmaschine wieder
abgeschafft und durch eine neue, verbesserter Konstruktion ersetzt
wird, wenn dadurch entsprechende Vorteile in der Fabrikation oder