Full text: Betrieb von Fabriken

   
  
  
  
  
  
428 R. Stegemann: Betriebseinrichtungen für die Wohlfahrt der Arbeiter. 
b) Fortbildungsschulen. 
Größere Aufgaben erwachsen dem Arbeitgeber aus der Sorge für 
das nicht mehr schulpflichtige Alter. Viele Volksschüler verlassen die 
Schule mit einer recht unzuléinglichen Ausrüstung für den Kampf ums 
Dasein. Leider werden die Lücken in ihrer Bildung, wenn nicht Vor- 
kehrungen dagegen getroffen werden, immer größer. Die Notwendig- 
keit, die von der Volksschule gelassenen Lücken auszufüllen und den 
Besitz der jungen Leute an Kenntnissen und Fertigkeiten zu erhalten 
und zu vermehren, ist staailicherseits anerkannt dadurch, daB die 
meisten süddeutsehen und einige Kleinstaaten den gewerblichen Fort- 
bildungsunterricht obligatorisch gemacht haben. Solange vor allem 
in Preußen dieser Schritt nicht nachgemacht wird, bleibt hier der 
privaten Initiative der Fabrikherren ein weites Feld der Betätigung. 
Es wächst zwar auch in Preußen stetig die Zahl der Gemeinden, die 
auf Grund des $ 120 der Gewerbeordnung Fortbildungsschulen ein- 
gerichtet haben, und es sind demgemäß die früher diesen Zwecken 
dienenden Schulen auf größeren Werken eingegangen. Immerhin ist 
aber die Zahl jener Gemeinden noch relativ klein und eine Ergänzung 
der kommunalen Fürsorge durch die Arbeitgeber geboten. 
Als Musterbeispiel führen wir das Eisenhüttenwerk Marienhütte bei 
Kotzenau an, das seine sämtlichen Lehrlinge verpflichtet, die für die Betriebe 
des Werkes in Kotzenau und Mallmitz errichteten Fortbildungsschulen zu be- 
suchen. Der Unterricht ist zweiklassig und wird zweimal wöchentlich in den 
Nachmittagsstunden erteilt zu einer Zeit, die mit der gewöhnlichen Arbeitszeit 
zusammenfällt, so daß die der Erholung bestimmten Stunden nicht verkürzt 
werden. Die Lehrgegenstünde, unter denen die deutsche Sprache im Vorder- 
grund steht, erstrecken sich auf Grammatik, Orthographie, Lesen und Anferti- 
gung geschüftlicher Schriftstücke, auf Rechnen, geometrische Übungen, Zeichnen, 
Geschichte und Geographie. Am JahresschluD haben die Zóglinge durch eine 
öffentliche Prüfung, der die Angehörigen und die Vorgesetzten beiwohnen, 
Rechenschaft von ihrem Können abzulegen. Schüler, welche sich durch gleich- 
müfig gutes Verhalten, durch hervorragenden Fleib oder besonders tüchtige 
Leistungen auszeichnen, erhalten eine öffentliche Belobigung, ein Anerkennungs- 
diplom, eine Prümie, die in einem Buche, einer silbernen Taschenuhr oder dgl. 
besteht. 
Einzelne Fabriken haben den Fortbildungsschulen ähnliche Fachschulen 
eingerichtet, die in erster Linie den Zweck verfolgen, für den eigenen Betrieb 
den höheren Anforderungen der Produktionsweise gewachsene Arbeitskräfte und 
untere Betriebsbeamte heranzubilden. Eine solche „technische Fortbildungsschule “ 
besitzt die Elektrizitätsaktiengesellschaft vorm. Schuckert & Co. in 
Nürnberg. Die Schule besteht aus drei aufsteigenden Klassen mit Jahreskursen. 
Der Unterrieht wird in den Vormittagsstunden der Wochentage von 10— 12 er- 
teilt und ist unentgeltlich; Schüler, welche nieht Sóhne von Beamten oder Ar- 
beitern des Werkes sind, bezahlen für Benutzung der Lehrmittel, Schreib- und 
Zeichenmaterialien jáhrlich 10 #. Unterrichtsgegenstände sind: Deutsche Sprache, 
Geographie und Geschichte, einfache Buchführung, Geschüfts- und Buchstaben- 
rechnen, Raumlehre, Gesundheitslehre, Physik, Chemie, Elektrotechnik und 
Zeichnen. Jeder Kursus soll hóchstens 25 Schüler umfassen; im Schuljahre 1903/04 
  
   
  
  
   
  
  
  
   
    
  
  
  
  
  
  
  
  
  
     
    
  
    
     
    
   
  
  
  
  
  
  
  
  
   
   
	        
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