PRAKTISCHE PHILOSOPHIE. 523
er nicht existieren leidigende Wirkung auf uns bezeichnen, geht schon daraus hervor,
widriges gebietet, daß ein und dieselbe Sache gleichzeitig gut, schlecht und gleichgültig
n wahren Nutzen sein kann; dieselbe Musik, welche gut ist für den Schwermütigen, ist
Nach dem Natur- schlecht für den Betrübten, weder gut noch schlecht für den Tauben,
re Macht, Thätig- Die Erkenntnis des Schlechten ist eine abstrakte, unadäquate Vorstellung,
tnis fördert, denn in Gott ist keine Idee des Bösen. Wäre das Unvollkommene und der
pp. cap. 5). Ein Irrtum etwas Wirkliches, so müßte man zugeben, daß Gott die Ursache
ı vervollkommnen des Bösen und des Verbrechens sei. In Wirklichkeit ist jedes Ding, was
handeln bedeutet es sein kann, also mangellos; alles Wirkliche, an sich betrachtet, ist voll-
Vernunft. folgen kommen. Auch der Thor und der Sünder kann nicht anders sein, als
ılschlüsse dichter er ist; als mangelhaft erscheint er erst, wenn man ihn neben den Weisen
iünstlich zurecht- und Tugendhaften stellt. Die Sünde ist somit nur eine geringere Realität
lichkeit an keiner als die Tugend, das Böse ein minder Gutes; gut und schlecht, Thätig-
philosophie. Der keit und Leiden, Macht und Schwäche sind bloße Gradunterschiede.
ig darauf zu be- Warum aber ist nicht alles schlechthin vollkommen, warum giebt es
‚greifen, ist er so geringere Wirklichkeitsgrade? Wir erhalten zwei Antworten. Die eine
h die gleiche ge- steht nur zwischen den Zeilen: Die Unvollkommenheiten im Sein und
ote in das antike Thun der Einzeldinge haben ihren Grund in deren Endlichkeit, speziell
kleidet. Dies ist in ihrer Verflechtung in den Kausalzusammenhang, vermöge dessen sie
ı der griechischen Einwirkungen von außen erleiden und in ihrem Handeln nicht allein durch
;n von der philo- ihre eigene Natur, sondern zugleich durch fremde Ursachen determiniert
3 aus der rechten werden. Der Mensch sündigt, weil er den Eindrücken äußerer Dinge
ch selbst, seinem offen steht, und nur ausgezeichnete Naturen sind stark genug, sich trotz
nschen überhaupt derselben aus sich selbst, aus der Vernunft zu bestimmen. Die andere
Zernunft, für das Antwort wird am Schlusse des ersten Buches (mit Berufung auf den
ıtung des Selbst- sechzehnten Lehrsatz, daß alles, was der göttliche Verstand als schaff-
nis, des „besseren bar vorstelle, wirklich geworden sei) ausdrücklich gegeben. „Wer mich
Iragt, warum Gott nicht alle Menschen so geschaffen habe, daß sie allein
ins (III öroß. 6); der Vernunft gehorchten, dem antworte ich nur: weil es ihm nicht an
nach ihr streben, Material gebrach, um alles vom höchsten bis zum niedrigsten Grade der
ibend große Zahl Vollkommenheit zu schaffen; oder genauer zu reden: weil die Gesetze
her das Böse ın seiner Natur so ausgiebig waren, daß sie hinreichten, um alles einem
Tugend aus der unendlichen Verstande Vorstellbare wirklich werden zu lassen.“ Alle
‚ ist Wissen, diese möglichen Grade der Vollkommenheit' sind ins Dasein getreten, auch
e mangelhafte Er- Sünde und Irrtum, welche den untersten Grad repräsentieren. Das Uni-
versum bildet eine Kette von Vollkommenheitsgraden, deren keiner fehlen
; Positives, Wirk- darf: das einzelne Mangelhafte wird gerechtfertigt durch die Vollkommen-
hheit von. Realität! heit des Ganzen, die ohne den untersten Wirklichkeitsgrad, ohne Laster
weiche ‘dureh die und Bosheit, unvollständig wäre.! Wir sehen Spinoza einen Fußpfad
mehr Bealität hat, wandeln, den Leibniz zu der Fahrstraße der Theodicee erweitern sollte.
usterbilde,” das, es Beide huldigen der quantitativen Weltauffassung, welche die Gegensätze
Wertbegriffe nicht 1 Ähnlich Thomas v. Aquino, comtra gentiles III, 71: non enim implerentur
reuende oder be- mnes gyadus possibiles bonitatis.