1706 DIE ENGLISCHE MORALPHILOSOPHIE.
die Sittlichkeit, darum sie Bedingung und Prüfstein der echten Religion. rücksichtslo
Die Offenbarung braucht die Kritik der freien Vernunft nicht zu scheuen, ihre natürli
die Schrift ist durch ihren Inhalt gerechtfertigt. Neben der Vernunft zuschränke:
dient dem Shaftesbury der Spott, das Echte vom Unechten zu sondern: denn durch
das Lächerliche ist die Probe des Wahren, und Schwärmerei nur durch den Genoss
Witz und Humor zu heilen. So geißelt er die Überfrommen, die Schma- weggründe
rotzer der Andacht, die der Sicherheit halber lieber zu viel als zu wenig zu Handlun
glauben wollen. zum Besten
liebe gesche
Ehe Shaftesburys Theorie des moralischen Sinnes und der wohl- Gefühle he
wollenden Neigungen Anhänger und Weiterbildner fand, rief sie durch die Wesen, da:
allerdings nicht vermiedene Gefahr, daß der Mensch mit dem Genusse, stellung seir
sich mit edlen Neigungen begabt zu wissen, sich begnüge, ohne für die Unterstellun
Bethätigung derselben in nützlichen Handlungen viel Sorge zu tragen, Augen: nac
als Rückschlag den paradoxen Versuch einer Ehrenrettung des Lasters ‘gesetzt, den
hervor. Mandeville,! ein in Holland geborener, von französischen liebe zum Ex
Eltern stammender Londoner Arzt (+ 1733), hatte durch das Gedicht hat er es le
„Der summende Bienenstock oder Rechtfertigung der Untugend“ 1705 und den Sta
Aufsehen erregt und zur Abwehr von Angriffen, die es erfahren, der sie allgemei
zweiten Ausgabe einen Kommentar in Prosa beigefügt: „Die Bienenfabel, In ande
oder der Nutzen der Privatlaster für das öffentliche Wohl“ 1714, zweiter S. 168) der
Teil 172909. Die Moral der Fabel ist, daß der Wohlstand des Volkes schaftlichem
auf der Betriebsamkeit der Mitglieder, diese aber auf ihren Leidenschaften Glück ist |
und Lastern beruhe. Habsucht, Verschwendung, Neid, Ehrgeiz und nicht ohne
Wetteifer sind die Wurzeln des Erwerbstriebes und tragen zum Ööffent- d. h. das W
lichen Wohl mehr bei, als Wohlwollen und Beherrschung der Begierden. Wohl. Alle
Für den einzelnen zwar ist die Tugend gut, sie macht ihn zufrieden vom unmitte
mit sich selbst und angenehm vor Gott und Menschen, aber zur Blüte wickelnden
großer Staaten bedarf es stärkerer Antriebe zur Arbeit und Emsigkeit, wir lieben ı
Ein Volk, in welchem Sparsamkeit, Selbstverleugnung und Seelenruhe weiterhin im
herrschten, würde arm und unwissend bleiben. Zu dem Irrtum, daß die und soziale
Tugend das Glück der Gesellschaft fördere, kommt bei Shaftesbury einigten Mo!
der zweite, daß die menschliche Natur uneigennützige Neigungen ein- Moral des g«
schließe, Nicht angeborene Liebe und Güte, sondern unsere Leidenschaften Weltmannes,
und Schwachheiten (vor allem die Furcht) machen uns gesellig, der zu verschaffe
natürliche Mensch ist der selbstsüchtige. Alle Handlungen mit Einschluß Inzwisch
der sogenannten Tugenden entspringen aus Eitelkeit und Egoismus; so auf jeden in
war’s: zu allen Zeiten, so ist’s in allen Ständen. Freilich dürfen im Zu- für nötigi, di
sammenleben jene Begierden nicht offen zur Schau getragen und nicht gungen durc]
Ethik von E
1 PAUL SAKMANN, Bernard de Mandeville und die Bienenfabel-Kontroverse, von den Refle:
Freiburg i. B. 1897. Mandeville veröffentlichte ferner „Freie Gedanken über Religion, der erstere nı
Kirche und Nationalwohl“ 1720, deutsch 1726, und eine Verteidigung der Bienenfabel
gegen Berkeleys Alciphron: Ein Brief an Dion 1732. DE
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