MANDEVILLE. BOLINGBROKE, 177
Religion. rücksichtslos befriedigt werden. Kluge Gesetzgeber lehrten die Menschen,
scheuen, ihre natürlichen Leidenschaften zu verbergen und durch künstliche ein-
Vernunft zuschränken, indem sie ihnen einredeten, Entsagung sei das wahre Glück,
sondern: denn durch sie erwerbe man das höchste Gut: Ruhm und Achtung bei
ar dureh den Genossen. Seitdem wurden Ehre und Schande die mächtigsten Be-
Schma- weggründe und ermunterten zu dem, was man Tugend nennt, nämlich
u wenig zu Handlungen, welche scheinbar mit Aufopferung selbstsüchtiger N eigungen
zum Besten der Gesellschaft, in der That aber bloß aus Stolz und Eigen-
liebe geschehen. Indem der Mensch fortwährend vor anderen erhabene
ar wohl- Gefühle heuchelt, täuscht er endlich sich selbst und hält sich für ein
lurch die Wesen, das im Verzicht auf sich und alles Irdische und in der Vor-
Genusse, stellung seiner sittlichen Vortrefflichkeit sein Glück finde. — Die groben
;; für..die Unterstellungen in der Argumentation des Mandeville springen in die
tragen, Augen: nachdem er die Tugend in die Unterdrückung der Begierden
6 JLasters gesetzt, den Trieb der sittlichen Ehre zur Eitelkeit, die erlaubte Selbst-
Ösischen liebe zum Egoismus, den vernünftigen Erwerbstrieb zur Habgier gestempelt,
Gedicht hat er es leicht, zu beweisen, daß das Laster den einzelnen betriebsam
d“ 1705 und den Staat blühend mache, die Tugend selten vorkomme und, wenn
ren, der sie allgemein wäre, der Gesellschaft verderblich werden würde,
nfabel,) In anderer Färbung und minder einseitig vertritt Bolingbroke (vergl.
‚; zweiter S. 168) den Standpunkt des Naturalismus. Gott hat uns zu gemein-
3. Volkes schaftlichem Glück erschaffen, wir sind bestimmt, einander beizustehen.
schaften Glück ist nur in der Gesellschaft erreichbar, die Gesellschaft kann
‚eiz | und nicht ohne Gerechtigkeit und Wohlwollen bestehen. Wer Tugend übt,
a Öffent- d. h. das Wohl der Gattung fördert, fördert damit zugleich das eigene
egierden. Wohl. Alle Handlungen entspringen aus der Selbstliebe, die, zunächst
zuftieden vom unmittelbaren Instinkt, später von der an der Erfahrung sich ent-
‚ur. Blüte wickelnden Vernunft geleitet, sich auf immer weitere Kreise ausdehnt:
‚msigkeit, wir lieben uns selbst in unseren Verwandten, in unseren Freunden,
elenruhe weiterhin im Vaterlande, endlich in der Menschheit, so daß Selbstliebe
daß die und soziale Liebe zusammenfallen und wir zur Tugend durch die ver-
ıftesbury einigten Motive des Interesses und der Pflicht getrieben werden. Eine
gen ein- Moral des gesunden Menschenverstandes vom Standpunkte des gebildeten
schaften Weltmannes, die zur passenden Stunde wohl das Recht hat, sich Gehör
ig; ‚der zu verschaffen,
Sinschluß Inzwischen hatten Shaftesburys Ideen auf Hutcheson und Butler,
3MUS; SO auf jeden in eigentümlicher Weise, Eindruck gemacht. Beide halten es
ı im Zu- für nötig, die Unterscheidung von wohlwollenden und selbstischen Nei-
net nicht gungen durch Zusätze zu erläutern und zu berichtigen, die für Humes
Ethik von Einfluß wurden; beide widmen ihren Eifer der neuen Lehre
ontroverse, von den Reflexionsempfindungen oder dem sittlichen Geschmack, an welchem
r Religion, der erstere mehr das ästhetische, nur beurteilende, der letztere das aktive
öennfa hc oder befehlende Moment hervorhebt.
Falckenberg, Neuere Philos. IV. Aufl.
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