Full text: Geschichte der neueren Philosophie

220 DIE FRANZÖSISCHE AUFKLÄRUNG. 
das Gebet in den „Gedanken über die Erklärung der Natur“ 1754 charak- Holt 
teristisch ist: O Gott, ich weiß nicht, ob du bist, aber ich will in meinen störung d 
Gesinnungen und Thaten so verfahren, als ob du mich denken und handeln Mission c 
sähest u. s. w.. Unter dem Einfluß des Holbachschen Kreises gelangte „O Natur 
er schließlich (in dem 1769 verfaßten, aber erst 1830 in den Memoiren Vernunft 
u. s. w. erschienenen Gespräch zwischen d’Alembert und Diderot und Was hat 
d’Alemberts Traum) zum naturalistischen Monismus: es giebt nur ein welche die 
einziges großes Individuum, das All. Hatte er früher die denkende Sub- der Vernt 
stanz von der körperlichen unterschieden und die Unsterblichkeit der Religion ı 
Seele auf die Einheit der Empfindung und die Einheit des Ich gegrün- lichkeit. 1] 
det, so macht er jetzt die Empfindung zu einer allgemeinen und wesent- den Gescl 
lichen Eigenschaft der Materie (Za pierre sent), erklärt das Gerede von als das ; 
der Einfachheit der Seele für metaphysisch-theologischen Unsinn, nennt verändert 
das Gehirn ein sich selbst spielendes Klavier, verlacht Selbstachtung, die Stund 
Scham und Reue als alberne Thorheit eines Wesens, das sich notwendige nur erfun 
Handlungen :als Verdienst und Schuld beimißt, und kennt keine andere des Übels 
Unsterblichkeit als die des Nachruhms. Aber selbst bei so weitgehenden ein passiv« 
Folgerungen bleibt seine Tugendbegeisterung zu stark, als daß sie ihm unermeßli 
den kecken Theorien Lamettries und Helvetius’ beizustimmen erlaubte. ein ewige 
Die französische Naturforschung steuerte gleichfalls auf den Materialis- deren Än 
mus. zu.  Buffon (Naturgeschichte 1749 ff.) sucht die mechanische Er- verhängni 
klärung der organischen Erscheinungen durch die Annahme lebendiger Thoren b 
Moleküle, aus denen sich die sichtbaren Organismen aufbauen, zu erleichtern. lichen Ge 
Noch weiter geht, mit Benutzung Spinozistischer und Leibnizischer Ideen, seinen Gı 
Robinet (Über die Natur, seit 1761), indem er jedes Stoffteilchen mit nur die 
Empfindung ausstattet, die ganze Welt als eine Stufenfolge belebter Wesen inneren B 
mit wachsender Geistigkeit betrachtet und sowohl die Wechselwirkung erkennen. 
zwischen der materiellen und der seelischen Seite des Individuums als auch diesen m 
das Verhältnis von Lust und Schmerz im Universum einem Gesetze harmo- sämtlich 
nischer Ausgleichung‘ unterwirft, zeigt uns 
Das Systöme de la nature 1770, das auf dem Titel den Namen des nun soll 
1760 verstorbenen .Mirabaud trug, ging aus der Gesellschaft von Frei- nicht zu 
geistern hervor, ‚welche sich in dem gastlichen Hause des aus der Pfalz und von 
gebürtigen Baron von Holbach (7 1789) zu versammeln pflegte. Der in Leib u 
eigentliche Verfasser war Holbach selbst, doch scheinen seine Freunde selbst unt 
Diderot, Naigeon, der Mathematiker Lagrange und der geistreiche Grimm sogenannt 
(+ 1807) an einigen Abschnitten mitgearbeitet zu haben. Der schwer- Wirkung « 
fällige Ernst und der trockene "Ton, mit welchem hier zum System ver- Empfindu: 
bunden wurde, was das Jahrhundert an radikalen Ideen erzeugt hatte, lichen We 
trug wohl die Hauptschuld an der ablehnenden Haltung des Publikums. und Abst 
Ebenso erfolglos blieb die populärere Darstellung des Materialismus, die nennt, is 
Holbach 1772 folgen ließ, und Helvetius’ Auszug aus dem System der Frägheitsl 
Natur 1774, auch die
	        
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