Full text: Geschichte der neueren Philosophie

202 DIE DEUTSCHE AUFKLÄRUNG, 
ersten Rang ein. Offenbar hat ein gegenseitiger Einfluß stattgefunden. sicherhei 
Die jetzt populär gewordene und dem Heutigen wie selbstverständlich betrachte 
erscheinende Dreiteilung der Seelenthätigkeiten „Denken, Fühlen, Wollen“ jener. he 
ist: auf Tetens, von dem sie Kant entlehnte, zurückzuführen: er hat „Gewebe 
gegenüber ‚der Aristotelisch-Wolffischen Zweiteilung „Erkennen und Be- samkeite: 
gehren“ die — bereits von dem Ästhetiker Sulzer (1751) und von Mendels- federn 
sohn (1755, 1763, 1785) befürwortete — Gleichberechtigung des Gefühls- Gerede 
vermögens durchgesetzt. Neben ihm sind als Psychologen zu nennen sein Christi € 
Gegner Joh. Lossius (1775), ein Anhänger Bonnets, der auch als Philo- seinen I 
sophiehistoriker (Geist der spekul. Philos. 1791—1797) schätzenswerte der Got 
Dietrich Tiedemann ! (Untersuchungen über den Menschen, seit 1777; Höllenst: 
Theätet 1794), Karl Franz v. Irwing (1728—1801; Erfahrungen und hinaus | 
Versuche über den Menschen 1772, zweite Aufl. 1777) und K. Ph. Moriz Göttlichk 
(Magazin zur Erfahrungsseelenlehre, seit 1785). Um die Pädagogik ihnen Ge 
machten sich verdient Basedow (+ 1790), Campe (+ 1818) und J. H. Pesta- darin, d 
lozzi (1746—1827). biblische 
Einer der klarsten und schärfsten Köpfe unter den Philosophen Halle U 
der Aufklärung war der Deist Herm. Sam. Reimarus?, seit 1728 vorzudriä 
Professor in Hamburg. Er bekämpft ebenso eifrig und mit Überzeugung „entwede 
den Atheismus, in welcher Gestalt sich derselbe darstellen möge, wie er grlogen“ 
(in der nur Freunden handschriftlich mitgeteilten „Schutzschrift“) den des relig 
Offenbarungsglauben mit unerbittlicher Kritik zersetzt. Die Waffen für Volksphi 
jenen: doppelten Kampf entnimmt er der Wolffischen Philosophie, Die ME 
Existenz einer überweltlichen Gottheit erweist sich aus der zweckmäßigen Lessin { 
Einrichtung der Welt, insbesondere der Organismen, welche auf das Wohl ZEItO. 
— nicht bloß, wie die Mehrzahl der Physikotheologen urteilte, des Men- der Lao 
schen, sondern — aller Lebewesen abzielt. Neben solcher an alle Menschen ca 
ergehenden und allein zur Seligkeit notwendigen Offenbarung Gottes in [Religions 
der Natur noch eine besondere Offenbarung, d. h. Wunder, annehmen spekulati 
heißt der Vollkommenheit Gottes und der Unveränderlichkeit seiner Vor- an dung 
sehung Abbruch thun. Zu diesem allgemeinen Bedenken gegen die Glaub- positiven 
würdigkeit positiver Offenbarung kommen als spezielle gegen die der ‚Verhältn 
jüdischen und christlichen hinzu die Zweifelhaftigkeit menschlichen Zeug- lung zwi 
nisses überhaupt, die Widersprüche in den biblischen Schriften, die Un- des Leil 
— weit übe 
läßt nur die Erscheinung, nicht das wahre Wesen der Dinge und unser selbst er- diesen 
Kennen. 18, m. persönlic 
1 Über Tiedemanns Psychologie siehe A, JACOBSKÖTTER, Erl, Diss. 1898.  nß mn 
2 H. S. Reimarus (1694—1768): Abhandlungen von den vornehmsten Wahr- 
heiten der natürlichen Religion 1754; Allgemeine Betrachtung über die Kunsttriebe Art zu 
der Tiere 1762; Apologie oder Schutzschrift für die vernünftigen Verehrer Gottes. wicht zu 
Von der letztgenannten, zu Lebzeiten des Verfassers geheimgehaltenen Schrift gab S 
Lessing Bruchstücke heraus (die bekannten „Wolffenbüttler Fragmente‘, seit 1774). MV 
Eine ausführliche Inhaltsangabe findet man bei D. FR. STRAUSS, Reimarus und seine 106—107, 
Schutzschrift, 1862, aufgenommen in den fünften Band der Ges, Schriften, 2E
	        
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