Full text: Geschichte der neueren Philosophie

LESSING, 265 
‚de, lebendige organisch verwachsene, für die Entwickelung derselben unentbehrliche und 
ch sogar von nur allmählich und schichtweise — nachdem der eingeschlossene Kern reif 
Leisten, ohne und fest geworden — abzustreifende Hülle. Die Geschichte der Religionen 
)s langweilen, ist eine „Erziehung des Menschengeschlechtes“ durch göttliche 
(als „zufällig“ Offenbarung, so lehrt jene kleine gedankenvolle Schrift vom Jahre 1780. 
te Gliederung Wie die Erziehung in den einzelnen Menschen nichts Fremdes hinein- 
ımenheiten in trägt, sondern ihm nur geschwinder und leichter das giebt, was er aus 
ren. Inbegriff, sich selbst gewinnen könnte, so wird die menschliche Vernunft durch die 
-haffen, seine Offenbarung nur über Dinge aufgeklärt, auf die sie auch von selbst hätte 
enheiten ver- kommen können, nur daß dies ohne Gottes Hilfe mühseliger und später 
ttes, und das geschehen wäre: vielleicht hätte sie sich viele Millionen Jahre in den 
‚;ott, zwischen Irrwegen der Vielgötterei herumgetrieben, hätte es nicht Gott gefallen, 
Vollkommen- ihr durch einen Stoß (seine Offenbarung an Moses) eine bessere Richtung 
dieselben an zu geben. Und wie der Erzieher dem Zögling nicht alles auf einmal 
Jedes Indivi- beibringt, sondern die jeweilig von ihm erreichte Entwickelungsstufe be- 
Itlichen Dinge rücksichtigt, so befolgt auch Gott in seiner Offenbarung eine gewisse 
atur, doch in Ordnung und ein gewisses Maß. Dem rohen jüdischen Volke offenbarte 
hat die Seele er sich zunächst als Nationalgott, als den Gott seiner Väter; erst von 
abt und wird den Persern mußte es lernen, daß der bis dahin als mächtigster verehrte 
Menschheit in Gott der einzige ist. Obwohl dieser untersten Stufe der Religionsent- 
hlich erlangte wickelung der Unsterblichkeitsglaube fehlte, darf sie doch nicht gering 
ganz und gar geschätzt werden: lasset uns bekennen, daß es ein heroischer Gehorsam 
So wird die war, die Gesetze Gottes beobachten, bloß weil es Gesetze Gottes sind, 
und Tugend- und nicht wegen zeitlicher oder künftiger Belohnungen! Der erste prak- 
ler göttlichen tische Lehrer der Unsterblichkeit war Christus, mit ihm beginnt das zweite 
religiöse Weltalter; auf das erste gute Elementarbuch, aus dem die Mensch- 
1ZEUBUNG: VON heit bis dahin gelernt hatte, das Alte Testament, folgte im Neuen Testa- 
halt die Moral ment das zweite bessere Elementarbuch. Wie wir zur Lehre von der 
indem er die Einheit Gottes nunmehr des ersteren entbehren können, wie wir allmählich 
der Entwicke- zur Lehre von der Unsterblichkeit der Seele auch des letzteren entbehren 
ıgspunkte zur zu können anfangen, so könnte wohl dies Neue Testament noch mehr 
je nach den Wahrheiten enthalten, die wir vorläufig noch als Offenbarungen anstaunen, 
ist, so würde bis die Vernunft sie aus anderen feststehenden Wahrheiten herleiten lernt. 
; in religiösen Lessing selbst macht mit den Dogmen der Trinität (s. 0.), der Erbsünde 
he nicht eine und der Genugthuung den Versuch einer philosophischen Interpretation. 
chen Religion Solcher Fortschritt vom Glauben .zum Wissen, solche Ausbildung geoffen- 
barter Wahrheiten in bewiesene Vernunftwahrheiten ist schlechterdings 
> Gott, daß ich notwendig. Wir können der geoffenbarten Wahrheiten nicht entbehren, 
eichen Schriften dürfen aber auch nicht einfach gläubig bei ihnen stehen bleiben, sondern 
% ea müssen suchen, sie zu begreifen; denn sie wurden geoffenbart, um Ver- 
rüber Liessings nunftwahrheiten zu werden. Sie sind gleichsam das Fazit, das der Rechen- 
n, erster Band meister den Schülern voraussagt, damit sie sich danach richten; wollten 
sich diese aber mit dem Fazit — das eben nur als Leitfaden gegeben
	        
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