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knüpft? Diese Verknüpfungsbegriffe, diese formellen Instrumente der weite ununt«
Synthese sind apriori. zweifelt und
Noch größer ist die Übereinstimmung beider Schulen, trotz des schein- Dogmatiker
bar schroffen Gegensatzes, hinsichtlich des Verhältnisses von Sinn- Scharfsinn 2
lichkeit und Verstand. Den Empiristen gilt das Denken als ein um- ihn auf die
geformtes, sublimiertes Wahrnehmen, den Rationalisten das Wahrnehmen Das mens:
als ein verworrenes, minder deutliches Denken. Jenen sind die Begriffe unmotivierte
abgeblaßte Nachbilder der Empfindungen, diesen sind die Empfindungen trauen entg«
noch nicht zur Klarheit gelangte Begriffe; der Unterschied ist kaum gehenden F
größer, als wenn der eine das Eis gefrorenes Wasser, der andere viel- punkt als „}
mehr das Wasser geschmolzenes Eis genannt haben will. Beide ordnen Statt zu bel
Anschauen und Denken in eine Reihe und lassen das eine aus dem kenntnis zu
anderen durch Abschwächung oder‘ Steigerung hervorgehen. Beide weit reicht
machen denselben Fehler, dort einen Gradunterschied zu sehen, wo ein nis, nach ih
Artünterschied stattindet, Da kann nur ein. energischer Dualismus Rechtsgrünc
helfen. Sinnlichkeit und Verstand sind nicht eine und dieselbe Erkenntnis- gestellt, dere
kraft auf verschiedenen Stufen, sondern zwei heterogene Erkenntnisver- Untersuchul
mögen. Empfinden und Denken sind nicht graduell, sondern spezifisch vorangehen.
verschieden. Wie Descartes mit dem metaphysischen Dualismus von Aus- sich: ausmac
dehnung und Denken, so beginnt Kant mit dem erkenntnistheoretischen kann sich n
Dualismus von Anschauen und Denken. Ob de
Viel schwerer wiegend jedoch als die genannten Irrtümer war eine näher stehe,
Unterlassungssünde, deren sich beide Parteien gleichmäßig schuldig ge- beiden spez
macht und deren Erkenntnis und Vermeidung in Kants eigenen Augen methodische
den auszeichnenden Charakter seiner Philosophie und ihren prinzipiellen jener blind
Fortschritt über die bisherige begründet. Der vorkantische Denker begiebt er; sie unteı
sich an sein Erkenntnisgeschäft, ohne sich vorher die Frage nach der Das kritisch
Möglichkeit der Erkenntnis vorzulegen, Er tritt an die. Dinge mögen? So!
heran im guten Glauben, daß der menschliche Geist fähig sei, sie‘ zu Gegenständ
erkennen, mit einem naiven Zutrauen zu der Kraft der Vernunft, sich sondern wi
der Wahrheit zu bemächtigen. Naiv, unbefangen ist sein Zutrauen, möglich ist
weil es ihm gar nicht in den Sinn kommt, daß es ihn täuschen könne, Nachdenke:
Gleichviel, ob und wie weit dieser Glaube an die menschliche Erkenntnis- gestellte Fo
fähigkeit und die Erkennbarkeit der Dinge berechtigt sein mag, jeden- sophierens
falls ist er ungeprüft, und wenn ein Skeptiker daherkommt mit seinen Kant, um
Einwürfen, so steht der Dogmatiker wehrlos da. Alle bisherige Philo- daß ein Eı
sophie, sofern sie nicht skeptisch war, ist nach Kants Ausdruck dogma- sich selbst
tisch, d.h. es steht ihr ohne vorgängige Prüfung wie ein Glaubenssatz des Glaub
fest, daß. wir die Gegenstände, die wir zu erkennen wünschen, auch zu über das \
erkennen vermögen, Sie fragt nicht, wie dies möglich ist; sie fragt nicht, Philosophie
was Erkenntnis heißt, was man von ihr verlangen darf und muß, und diese Lück:
durch‘ welche Mittel unsere Vernunft solchen Ansprüchen zu genügen im thode der}
stande ist. Sie 14ßt das menschliche Erkenntnisvermögen und seine Trag- man sich s
| KANT