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verteidigen sich die Realen, indem jedes seine einfache, unveränderliche kenne
Qualität erhält, d. h. lediglich sich selbst gleich bleibt. Selbsterhaltung es ist
gegen drohende Störungen von außen (vergleichbar dem Widerstand clamit
gegen Druck) ist das einzige wirkliche Geschehen und aus ihm ist das solle;
scheinbare Geschehen, die erfahrungsmäßige Veränderung der Dinge zu Negat
erklären. Was sich ändert, sind allein die Beziehungen zwischen den vorhe:
Wesen, indem ein Ding bald gegen dieses, bald gegen jenes sich selbst Seier
behauptet; die Beziehungen aber und ihr Wechsel sind etwas dem beste?
Seienden gänzlich Zufälliges und Gleichgültiges. Denn allein unser ver- dieses
gleichendes Denken stiftet die verschiedenen Verhältnisse zwischen den verbu
voneinander unabhängigen und unveränderlichen Realen. An sich ist Sind
die Selbsterhaltung eines Realen so einförmig wie die Qualität, welche bloße:
durch sie erhalten wird, aber‘ vermöge der wechselnden Beziehungen ganz
(der Verschiedenheit der Störenden) kann sie sich für den Betrachter Stände
auf mannigfaltige Weise als Kraft äußern. Das Reale selbst ändert sich was]
so wenig, wie etwa ein Gemälde sich dadurch ändert, daß die verschie- was Sı
denen Figuren auf demselben, aus der Nähe angesehen, deutlich unter- Da d:
schieden. werden, dagegen für den entfernt stehenden Betrachter in ein Seienc
ununterscheidbares Chaos zusammenrinnen. Das Geschehen hat im Gebiete keine
des Seienden keine Bedeutung. — Wer so spricht, der hat das Geschehen Werde
geleugnet, nicht deduziert. Von den vielen Einwürfen, welche Herbarts Ver- positiv
such, mittelst seiner Theorie der Selbsterhaltungen gegen intendierte Störun- ewig.
gen die empirische Thatsache der Veränderung zu erklären, erfahren hat, Bedür
findet man die triftigsten bei Lotze und Zimmermann. Lehrreich ist der griffs
gescheiterte Versuch, die Schwierigkeiten im Begriffe des Werdens und satzlos
Wirkens zu lösen, doch: man lernt daraus, daß sie auf diesem Wege, Währe
von dem Begriffe des spröden Seins aus, nicht gelöst werden können. den I
Nimmt man das Zusammen, die drohende Störung und die Reaktion wahrh:
gegen sie als Wirklichkeiten, so ist in der Affektion durch den Störenden sprüng
der Begriff der Veränderung uneliminiert und unverbessert zurückgeblieben; bezeic
nimmt man sie als unwirkliche Hilfsbegriffe des Denkens, so ist das durch
Geschehen aus dem Sein in den Bereich des Scheins verwiesen. Herbart qualitg
verleiht ihnen eine Art von Halbwirklichkeit, minder wahr als der falsche
ruhende Grund der Dinge (ihre unveränderlich beharrenden Qualitäten) Strebe
und wahrer als ihre widerspruchsvolle Oberfläche (der empirische Schein Eines
des Wechsels). Zwischen Sein und Schein schiebt er wie zwischen böte,
Nacht und Tag das Dämmerungsgebiet seiner „zufälligen Ansichten“ ihren )
mit ihren Beziehungen, -die das Reale nichts angehen, ihren Störungen, vor, «
die nicht eintreten, und ihren Selbsterhaltungen, die nichts sind als Herba
ungestörte Fortexistenz des Realen. übersi]
Außer den Widersprüchen in den Begriffen der Inhärenz, der Ver- )
änderung, des. Thuns und ‚Leidens ist es der Begriff des Seins, der S. 156)
unserem Philosophen verwehrt, dem Wirklichen Lebendigkeit zuzuer- Gedank