Full text: Geschichte der neueren Philosophie

444 HERBART. 
Umständen, nämlich dadurch, daß sie von anderen Wesen zur Selbst- desse 
erhaltung gereizt wird, Die Summe der mit der Seele in unmittelbarer gesic 
Beziehung stehenden Realen heißt ihr Leib, welcher, ein Aggregat ein- am 
facher Wesen, zwischen der Seele und der Außenwelt das Mittelglied des kom] 
Kausalverhältnisses abgiebt. Die Seele hat ihren (beweglichen) Sitz im fach« 
Gehirn. Gegen die physiologische Behandlung der Seelenlehre bemerkt schie 
Herbart, die Psychologie gebe der Physiologie weit mehr Licht, als sie gehr 
jemals von ihr empfangen könne. oder 
Die einfachsten Vorstellungen sind die Empfindungen, welche sich Schr. 
bei aller Verschiedenheit doch in bestimmte Klassen (Gerüche, Töne, phys 
Farben) gruppieren. Sie gelten uns als Zeichen für die störenden Realen, das 
aber sie sind keine Bilder der Dinge, auch keine Wirkungen derselben, daß 
sondern Produkte der Seele selbst: die Erzeugung von Empfindungen Inter 
ist die der Seele eigentümliche Weise, sich gegen drohende Störungen 
zu wehren. Jede einmal entstandene Vorstellung verschwindet zwar Ele 
wieder aus dem Bewußtsein, aber nicht aus der Seele. Sie beharrt, ver- stellt 
bindet sich mit anderen und steht mit ihnen in Wechselwirkung, beides End: 
nach bestimmten Gesetzen. Diese ursprünglichen Vorstellungen sind die Scho 
einzigen, welche die Seele selbstthätig hervorbringt; alle sonstigen psychi- lehre 
schen Vorgänge, Gefühl, Begierde, Wille, Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Hoff 
Urteil, der ganze Reichtum des. inneren Geschehens ergiebt sich von mati 
selbst aus dem gesetzlichen Wechselspiel der primitiven Vorstellungen. müht 
Ursprünglich ist nur das Vorstellen (genauer: das Empfinden); Raum, bem« 
Zeit, Kategorien, die Kant für apriori ausgiebt, sind sämtlich erworben, allge: 
d.h. sie sind, wie das gesamte höhere geistige Leben, Resultate eines Seele 
psychischen Mechanismus, zu deren Hervorbringung es keiner erneuten ihrer 
Anstrengung von seiten der Seele selbst bedarf. Es war ein höchst rate 
verderblicher Irrtum der bisherigen Psychologie, daß sie jede besondere ange. 
geistige Thätigkeit, statt sie aus Kombinationen einfacher Vorstellungen Rose 
herzuleiten, einem speziellen gleichnamigen Seelenvermögen zuschrieb. gelb 
Sie behandelte leere abstrakte Klassenbegriffe als wirkliche Kräfte und (das 
meinte, damit die einzelnen konkreten Akte „erklärt“ zu haben. — Es versc 
giebt keinen erbitterteren Gegner der Vermögenstheorie als Herbart. stellu 
Sein Feldzug gegen dieselbe war, wenn nicht siegreich, so doch heil- wußt. 
sam und die Motive seiner Feindschaft bis zu einem gewissen Grade der} 
vollkommen berechtigt. Nichts nutzloser als die Versicherung, was die wie 
Seele wirklich thue, das müsse sie auch thun können. Wer bestreitet ist te 
das! Ein Vermögen erklärt nichts, solange die Gesetze, nach denen es eigen 
fungiert, und sein Verhältnis zu anderen Vermögen im Unklaren bleiben. Aufst 
Aber auch wenn der Vermögensbegriff keinen positiven Nutzen gewährt, gänzl 
ganz beseitigt werden. kann. er nicht. Er bezeichnet die Grenze, wo logisc 
unsere Fähigkeit aufhört, eine Klasse seelischer Vorgänge auf eine andere geset: 
zurückzuführen, Gegen die bescheidene und notgedrungene Anwendung heiße
	        
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