Full text: Geschichte der neueren Philosophie

SKEPTIKER: MONTAIGNE, 43 
auf das Bibelwort die gangspunkt der Forschung bildet. Der älteste und geistvollste von den 
<lärte, daneben freilich Vertreternder Zweifelsphilosophieist Michelde Montaigne(1533—1592), 
en wenig Berührendes der in seinen „Essays“ — sie sind die ersten ihrer Art! und fanden 
‚chen Schriften (Ah4loso- bald an Baco einen Nachahmer; sie erschienen 1580 in zwei Bänden, 
nta 1550) wie in allen 1588 um einen dritten Band vermehrt — feine Beobachtung mit scharfem 
teles, den Meister der Denken, Kühnheit mit Vorsicht, Eleganz mit Gediegenheit verbindet. 
; aber im Dekalog er- Die Franzosen schätzen ihn als einen ihrer hervorragendsten Schrift- 
(1562) und B. Winkler steller, Als die bedeutendste unter jenen Abhandlungen oder Versuchen 
; Vorläufer des Hugo gilt die Verteidigung des Raymund von Sabunde (II, ı2) mit wichtigen 
Ausführungen über Glauben und Wissen. Montaigne gründet seinen 
ler Orden wurde 1534 Zweifel auf die Verschiedenheit der individuellen Ansichten: jeder hat 
lutherisch-augustinische eine andere Meinung, während doch die Wahrheit nur eine sein kann. 
; Freiheitslehre erneuert, Es giebt keine sichere, keine allgemein zugestandene Erkenntnis, Die 
aupteten göttlichen Ur- menschliche Vernunft ist schwach und blind in allen Dingen, das Wissen 
z durch einen (zurück- trügerisch, zumal die heutige Philosophie, die am Hergebrachten klebt, 
Iks bis zur Empfehlung mit gelehrtem Notizenkram das Gedächtnis füllt, aber den Verstand leer 
542—1621) lehrt: der läßt und statt der Dinge nur Interpretationen interpretiert. Sowohl die 
3 die Macht ihm über- Erkenntnis der Sinne wie die des Denkens ist unzuverlässig; jene, weil 
e zurückzunehmen und es sich nicht ausmachen läßt, ob ihre Aussagen mit der Wirklichkeit über- 
7—1624; de rege 1599) einstimmen, die der Vernunft aber, weil ihre Beweisgründe, um triftig zu 
te auf den Fürsten für sein, zu ihrer eigenen Begründung immer wieder anderer Gründe bedürfen 
es befugt, den König u. s, w. ins Unendliche. Jeder Fortschritt im Forschen läßt uns unsere 
nn er durch schlechte Unwissenheit um so deutlicher erkennen. Nur der Zweifelnde ist unbe- 
usgeartet, Gesetze und fangen. Wenn uns Sicherheit versagt ist hinsichtlich dessen, was wahr 
nd von jedermann der ist, so doch nicht hinsichtlich dessen, was wir thun sollen. Und zwar 
ist Recht, die Tyrannei wird eine doppelte Richtschnur für die Praxis aufgestellt: die Natur oder 
nd diejenigen geachtet das auf Selbsterkenntnis gegründete naturgemäße Leben und die über- 
len Tyrannen zu töten natürliche Offenbarung, das (nur unter Mithilfe der Gnade zu erfassende) 
Evangelium. Folgsamkeit gegen den himmlischen Oberherrn und Wohl- 
thäter ist die erste Pflicht der vernünftigen Seele, Aus Gehorsam ent- 
springt jede Tugend, aus Vernünftelei und Eigendünkel, wie ihn ein- 
s, gebildetes Wissen erzeugt, jede Sünde. Gleich allen Menschenkennern 
hat Montaigne einen scharfen Blick für die Fehler der Menschen, schildert 
;r neueren Philosophie die allgemeine Schwäche der menschlichen Natur und die Verderbtheit 
Jahrhunderts als deren seiner Zeit mit großer Lebendigkeit und nicht ohne ein gewisses Behagen 
ganze und letzte Wahr- am Obszönen und beklagt neben der Thorheit und Leidenschaftlichkeit 
Moment, einen Durch- 
1 Essais bedeutet Allerlei, Bunte Blätter (ähnlich der satura der Römer), eine 
der Werke Melanchthons Sammlung von meist kurzen Aufsätzen im Plauderton über die mannigfaltigsten Gegen- 
im II. und 20.) die übrigen stände, Das Charakteristische war legere Behandlung, Anmut der Darstellung und 
anchthons Ethik (1532) hat Buntheit des Inhalts, Die einzelnen Bestandteile einer solchen Sammlung lassen sich 
veröffentlicht. Ein schönes allenfalls als Skizzen bezeichnen, — Eine Auswahl der Essais des M, hat W. DYREN- 
(AGPh. 6,2) 1892. Vergl. FURTH ins Deutsche übertragen, 2 Bändchen, Breslau 1896, 98, desgleichen EMIL KÜHN 
bis 11.2) 1897—08. in vier Bändchen, Straßburg (1000).
	        
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