46 DIE DEUTSCHE MYSTIK.
Luther war selbst anfänglich Mystiker, er schätzte Tauler und irdische, in s
Thomas a Kempis und gab 1518 jenes anziehende Büchlein eines Frank- Engel in sich,
furter Anonymus „Von der deutschen Theologie“ heraus. Als er später Seele) auch a
auf die Bahnen des Buchstabenglaubens geriet, war es die deutsche und dazu ein
protestantische Mystik, welche gegen die neue Orthodoxie den ursprüng- sowohl die sı
lichen Grundgedanken der Reformation festhielt, daß der Glaube nicht zu der er viel:
ein Fürwahrhalten historischer Fakta, nicht ein Annehmen von Lehr- der Buchstäbl
sätzen, sondern ein inneres Erlebnis, eine Erneuerung des ganzen Menschen übrigen Weseı
sei. Man darf nicht Religion und Theologie verwechseln. Religion ist in sich selbst
nicht Lehre, sondern Wiedergeburt. Bei Schwenckfeld und auch noch er sein eigene
bei Franck ist die Mystik wesentlich Frömmigkeitslehre, bei Weigel ver- Selbstsüchtiger
wandelt sie sich unter Hereinnahme Paracelsischer Gedanken in T’heoso- und Sünde ge‘
phie und erreicht als solche in Böhme ihren Höhepunkt. ist auch die Er
Kaspar Schwenckfeld (+ 1561) will das Luthertum verinnerlichen Menschen, der
und protestiert dagegen, daß eine Pastorenreligion daraus gemacht werde. geborene ist e
Entflammt von der bahnbrechenden That des Reformators, erkennt er den kann kei
doch bald, daß jener zu früh Halt gemacht hatte, und präzisiert in dem die im Buchs
Sendschreiben über das Abendmahl 1527 die Differenzpunkte zwischen der Mensch aı
seiner und Luthers Auffassung des Sakraments. Luther sei in den werde). Über
historischen Glauben zurückgefallen, der seligmachende Glaube könne H. SCHMIDT i
nimmermehr in der äußerlichen Annahme einer geschichtlichen That- Ihren Gi
sache bestehen. Wer das Heil von der Predigt und dem Sakrament macher Jakol
abhängig mache, verwechsle unsichtbare und sichtbare Kirche, ecclesza Aufgang, Myst
interna und externa. Der Laie sei sein eigener Priester. seinem Aposte
Nach Seb. Franck (1500—1545) sind im Menschen wie in jedem Bänden, 1730
Dinge zwei Prinzipien: ein göttliches und ein selbstisches, Christus und 1831-— 1847, 4
Adam, innerer und äußerer Mensch; giebt er sich (in zeitloser Wahl) Frage nach d
jenem hin, ist er geistig, diesem, ist er fleischlich. Nicht Gott ist Ursache selbst und ve
der Sünde, sondern der Mensch ist es, der die göttliche Kraft zum Guten Prozeß durchn
oder Bösen wendet. Wer sich selbst verleugnet, um Gott zu leben, ist der Offenbarur
ein Christ, ob er das Evangelium kennt und sich zu ihm bekennt oder Zinngefäßes gi
nicht. Denn der Glaube besteht nicht im Jasagen, sondern in der sich am dunk
inneren Umwandlung. Das Historische am Christentum, desgleichen die Finsternis, alle
gottesdienstliche Zeremonie, ist nur äußere Gestalt und Hülle („Figur“), um erkennbar
hat nur die symbolische Bedeutung von Werkzeugen der Mitteilung, empfindlich, di
Offenbarungsformen der ewigen Wahrheit, deren Verkünder, nicht Gründer, Nein. Ohne }
Christus ist; die Bibel nur der Schatten vom lebendigen Worte Gottes. a
Valentin Weigel (geb. 1533, seit 1567 Pfarrer in Zschopau), * Vergl. di
dessen Schriften erst nach seinem Tode gedruckt wurden, verbindet mit haben geschriche
. . ; . 1844, H. A. FEC
dem, was die Vorgänger vom inneren und ewigen Christentum gelehrt 1870, neue Ausg
hatten, den Mikrokosmos-Gedanken des Paracelsus. Der bedürfnislose H. MARTENSEN,
Gott hat die Welt geschaffen, nicht um dabei etwas zu gewinnen, sondern u, theos, Werke
um zu spenden. Der Mensch trägt nicht nur in seinem Leibe die DEUssEN, Kiel 1