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und den Todesmut der Nation — dies alles würde preisgegeben werden,
wenn der Krieg um der Leiden willen, die er ebenfalls im Gefolge hat,
aus der Welt herausgenommen würde.
Wenden wir uns von. den allgemeinen Grundsätzen zu der Aus-
führung im einzelnen, so wird der Beweis der Unvermeidbarkeit oder
Heilsamkeit für jede der drei Klassen der Übel gesondert geführt, für das
metaphysische Übel der Kreatürlichkeit, das physische des Leidens (und
der Strafe) und das moralische der Sünde. Das metaphysische Übel
ist absolut unvermeidlich, wenn überhaupt eine Welt existieren soll; ein
geschaffenes Wesen kann ohne Unvollkommenheit, Endlichkeit, Be-
schränkung gar nicht gedacht werden, es kann nicht lauter Götter geben.
Das physische Übel des Elends findet. seine Rechtfertigung darin, daß
es dem Guten dient. Zunächst ist die Zahl der Leiden tatsächlich nicht
so groß, wie es den unzufriedenen Gemütern erscheint. Gewöhnlich ist
das Leben ganz leidlich und gewährt mehr Freude und Annehmlichkeit,
als Kummer und Beschwerden; naraentlich darf man bei der Abwägung
der Güter und Übel nicht vergessen, die Lust der Tätigkeit, der Ge-
sundheit und alles dasjenige, was uns vielleicht kein merkliches Vergnügen
bereitet, dessen Beraubung aber als Übel empfunden werden würde
(Theod. II, $ 251), auf der positiven Seite mit in Rechnung zu bringen.
Die meisten Übel dienen dazu, uns ein viel größeres Gut zu verschaffen
oder ein noch größeres Übel abzuwenden. Würde ein tapferer Feldherr,
vor die Wahl gestellt, entweder ohne Wunde, aber auch ohne Sieg aus
der Schlacht hervorzugehen, oder mit einer Blessur den Sieg zu erkaufen,
einen Augenblick zaudern, sich für das letztere zu entscheiden? Andere
Schmerzen wiederum müssen als Strafe für Sünden und als Mittel der
Besserung angesehen werden; der Gottergebene darf sicher sein, daß die
ihm begegnenden Leiden ihm zum Besten ausschlagen. Blickt man vollends
auf das Weltganze, so zeigt sich, daß die Summe der Übel neben der
der Güter verschwindet. Es ist verkehrt, das Glück des Menschen als
den Zweck der Welt zu betrachten. Sicherlich hat Gott auch die Glück-
seligkeit der vernünftigen Wesen im Auge gehabt, aber nicht sie aus-
schließlich, denn sie ‚bilden nur einen Teil der Welt, wenn auch den
vortrefflichsten. Vielmehr geht die Absicht Gottes auf die Vollkommen-
heit des ganzen Weltsystems. Nun fordert die Harmonie des Universums,
daß alle möglichen Grade der Realität vertreten seien, daß es auch un-
deutliche Vorstellungen, Sinnlichkeit und Leiblichkeit gebe, nicht bloß ein
Geisterreich, hiermit aber sind unvollkommene Zustände, Unlustgefühle,
theoretische und moralische Irrtümer unvermeidlich gegeben. Der Zu-
sammenhang und die Ordnung der Welt verlangt ein materielles Element
in der Monade, eifi leidloses Glück aber kann nie das Los eines mit
einem Körper verbundenen Geistes sein. . Was drittens das moralische
Übel angeht, so begegnet uns, hier abermals die Versicherung, daß die