THEODIZEE. 271
den, Summe des Bösen viel geringer sei als die des Guten. Sodann wird das
hät sittliche Übel an das metaphysische angeknüpft: die Kreatur kann nicht
schlechthin vollkommen, also auch nicht moralisch vollkommen oder
Aus- sündenlos sein. Dafür gibt es aber auch kein Wesen, das absolut un-
oder vollkommen, durchaus nur böse wäre. Hieran schließt sich der schon
das von früheren Philosophen her bekannte Gedanke, daß das Böse nichts
(und Wirkliches sei, sondern nur Beraubung, Abwesenheit des Guten, Mangel
Übel an Vernunftklarheit und Willenskraft. Was an der schlechten Handlung
eh real ist, die Kraft des Handelns, das ist vollkommen und gut, und stammt,
Be- als Kraft, von Gott, das Negative oder Schlechte daran stammt von dem
ben. Handelnden selbst: so wie bei zwei gleichgroßen, aber ungleich be-
daß lasteten Schiffen, die der Fluß mit sich fortführt, die Schnelligkeit vom
icht Flusse, die Langsamkeit von der eigenen Last des Fahrzeuges herrührt.
ist Nicht Gott ist schuld an der Sünde, denn er hat sie bloß zugelassen,
seit, nicht direkt gewollt, und der Mensch war schon böse, bevor er geschaffen
Ds wurde. Daß Gott voraussah, der Mensch werde sündigen, zwingt diesen
E nicht, die böse Tat zu begehen, sondern diese folgt aus seinem (ewigen)
ISCH Wesen, das Gott unverändert ließ, als er ihm das Dasein bewilligte.
irde Schuld und Verantwortung fällt ganz auf den Sünder selbst. Die Zu-
zen. lassung des Bösen erklärt sich aus den überwiegend guten Folgen, die
tten sich daraus (nicht, wie beim physischen Übel, für den Leidenden selbst,
EHE, sondern für andere) ergeben: aus dem Verbrechen des Sextus Tarquinius
aus ist ein großes Reich mit großen Männern entsprungen (vgl. den schönen
fen, Mythus im Anschluß an einen Dialog des Laurentius Valla, Theod. IL,
lere 413—416). Schließlich wird wiederum auf den Beitrag des Übels zur
der Vollkommenheit des Ganzen hingewiesen. Das Böse hat in der Welt
die dieselbe Aufgabe, wie in einem Musikstück die Dissonanzen oder in
nds einem Gemälde die Schatten: durch den Kontrast wird die Schönheit
der gehoben. Das Gute bedarf einer Folie, um deutlich hervorzutreten und
ee in seiner vollen Herrlichkeit empfunden zu werden. —
ick- Am wenigsten befriedigt in der Leibnizischen Theodizee die Recht-
LUS- fertigung des moralischen Übels. Man vermißt den von Hegel in groß-
den artiger, von Fechner in sinniger Weise vertretenen Gedanken, daß das
LEN Gute nicht die Blüte einer stillen, unbehelligten Entwickelung, sondern
MS, die Frucht angestrengter Arbeit sei, daß es seines Gegenteils bedürfe,
en daß es sich nicht bloß im Kampfe gegen das Böse außer und in dem
ein Handelnden bewähren müsse, sondern überhaupt nur durch jenen Kampf
hle, errungen werden könne. Zur Tugend gehört außer der Reinheit auch
Zu- Kraft des Willens, und die Kraft gewinnt sich allein am Widerstande.
ent Mehr Beistimmung, als die bedenkliche Anwendung der quantitativen
mit Weltansicht auf das ethische Gebiet, die in dem‘ Bösen nur ein un-
‚he ausgewachsenes Gutes erblickt, verdient die Beurteilung des Leidens,
die obwohl auch die Bedeutung des Schmerzes nicht in voller Tiefe ge-