PUFENDORF. THOMASIUS. 273
SMus des allgemeinen Besten. Der einzelne darf in der Befriedigung: seines
Denn Selbsterhaltungsstrebens die Interessen der Gesellschaft nicht ‚verletzen,
SH weil die seinigen die Geselligkeit und ‚somit die Respektierung ihrer Be-
sent dingungen fordern.
logie An den letztgenannten schließt sich an. Christian Thomas(ius)?
(1655—1728, seit der Gründung der Universität Halle 1694 Professor
der Rechte daselbst), der erste Dozent, der es wagte — in Leipzig seit
1687 — Vorlesungen in deutscher Sprache zu halten, zugleich Heraus-
geber der ersten deutschen gelehrten Zeitschriften (Teutsche Monate, Ge-
schichte der Weisheit und Torheit). In Thomasius treten zuerst mit voller
Entschiedenheit die charakteristischen Züge der deutschen Aufklärung
hervor: Vermeidung des Schulmäßigen in Ausdruck und Beweisführung,
direkte Beziehung. des Wissens auf das Leben, nüchterne Verständigkeit
des Denkens, sorgloser Eklektizismus, die Forderung ‚religiöser Duldung,
Die Philosophie soll allgemeinverständliche und praktisch nützliche. Welt-
BA (nicht . Gottes-) Weisheit sein, ihre Form freies und geschmackvolles
pph Räsonnement, ihr Gegenstand der Mensch und ‚die Moral, ihre nächste
us Aufgabe Bildung, nicht Gelehrsamkeit, ihr. höchster Zweck die Glück-
the- seligkeit, ihr Organ und der Prüfstein jeglicher Wahrheit der gesunde
wen Menschenverstand. Wahre Erkenntnis erwirbt nur, wer seinen Verstand
der von Vorurteilen säubert und allein aus eigener Einsicht urteilt; das Glück
DS der Gemütsruhe wird keinem zuteil,/der nicht sein Herz von törichten
AU Begierden und heftigen Leidenschaften befreit und ‚es der Tugend, der
MN „vernünftigen Liebe“ widmet. — Geringeres Interesse als dieser für die
Ad Folgezeit vorbildliche allgemeine Standpunkt des Thomasius haben ‘seine
ON positiven Lehren. Er teilt die praktische Philosophie in das Naturrecht,
des das vom zusium, die. Politik, die vom decorum, und die Ethik, die
ben vom . honestum handelt. Die Gerechtigkeit befiehlt: tue keinem
ter anderen, was du nicht willst, daß dir geschehe; die Wohlanständig-
lau keit: tue anderen, was du willst, daß sie dir- tun; die Ehrbarkeit
Ze oder Sittlichkeit: tue dir selbst, was du willst, daß andere sich tun,
eht Die beiden ersten Gesetze beziehen sich auf den äußeren, das dritte
chf auf den inneren Frieden; die Rechtspflichten sind erzwingbar, die sitt-
ınd lichen nicht. .
der War Thomasius der Anführer jener Popularphilosophen, die, un-
ES bekümmert um systematischen Zusammenhang, jedes Problem einzeln
d.2 vor dem Richterstuhle des gesunden Menschenverstandes verhandelten,
lea. und darin, daß sie ‚sich keiner philosophischen Sekte zugesellten, eine
Ss hinreichende Garantie für die Vorurteilslosigkeit und Unparteilichkeit ihrer
Do Erwägungen erblickten, so wurde der Spinoza und Leibniz befreundete
US- 1 Thomas: Drei Bücher der Institutionen der göttlichen Jurisprudenz 1688;
NZ- Grundlagen des Natur- u, Völkerrechts 1705, beide lateinisch; deutsch :erschienen
1691—906 Einleitung und Ausführung der Vernunft- und Sittenlehre.
Falckenberg, Neuere Philos, 8. Aufl.
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