Mantelagraffen. Aus dem gefkräuselten Hemdvorstoß bei
Raphael und Gabriel kommt der Hals mit fast sinnlichem
Reize hervor. Die Haarfarbe ist bei allen vier Figuren blond
mit geringer Nuancierung. Ein Pentiment zeigt nur die
rechte Hand des Tobias. Hinter der Überschneidung des
Vordergrundes breitet sich, in der Tiefe gesehen, eine weite,
wasserreiche Landschaft aus, wie man sie an den Bildern
des Piero della France8ca und der Pollaiuoli gewohnt ist.
Raphaels Kleid und des Tobias Chiton sind mit viel-
farbigen orientalischen Shawl8 gegürtet. Im Laufe der
Zeit mag die Farbentextur infolge der Temperaturänderungen
vielfach verquollen sein, so daß sie um Glanz und Härte
gefommen ist und der Kontur der alten Schärfe entbehrt.
Die Füße sind von völligen runden und edlen Formen,
nach Studium und Geschma> dem Verrocchio zugehörig.
Die schönen Hände nach Form und Sensibilität, Mo=-
tiven und Studium sicheres Eigentum des Verrocchio-Lio-
nardo. Zede einzelne Hand wählerisch geordnet und als
Komposition für sich ein geschlossenes Ganzes, genau nach
der Natur studiert, so ziemlich unter Zugrundelegung des
gleichen Modells für alle. Dasselbe Modell erkennt man
auch an dem Engel auf der „Taufe“ und demjenigen der
„Berfündigung“.*) Eine feingeistige, höchst erregbare Natur
von einer passiven Nervosität scheint in ihrem Charakter be-
schlossen zu liegen. Dem stet3 vorkommenden Motiv des
höher gestellten kleinen Fingers als Ausdrucksformel der Zier-
lichfeit liegt ein feines Gefühl für Form und Kräftesymmetrie
zu Grunde. Die Bedeutung des Gestus und der Hände
für die gesamte Komposition, ihre Benußung zur Raumfüllung
und Abwägung der Massen bei voller Freiheit und Unge-
zwungenheit der Gebärde, beruht auf einem bildnerischen
Mysterium von schwer ergründlicher Art. Es ist mehr
+) „Uffizien Nr. 41288. 9. 0.H.
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