Full text: Adolf Bayersdorfers Leben und Schriften

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das Studium an Erzskulpturen deutlich erweisen. Die Gleich- 
heit der beiden Gesichtshälften in feinster mathematischer Ab- 
wägung bei gleichsam betontem Geseze und exaktester Kon- 
struktion der beleuchteten und beschatteten Partien in den 
feinsten Schwingungen durchgeführt. Im Kopf des hl. Michael 
fönnte wohl das Porträt des jugendlichen Leonardo ge- 
geben sein. Die bekannten Bildnisse aus späterer Zeit sprechen 
eher dafür als dagegen. Die nach vorn und erhöht liegende 
NRasenwurzel, eine besondere Eigenheit des Verrocchio-Leonar- 
doschen Typus, gehört hier wohl der Natur selbst an. Er 
ist voll Geheimnis und Adel, wie den inneren unbewußten 
Jubel der Schöpfung über sich selbst ausdrü>end. Mit 
Staunen scheinen diese Wesen in die Welt zu blicken, für 
welche sie zu sehr gebildet sind, einen Hauch des Göttlichen, 
Schicksallosen an sich habend. Die beiden Hände de8 Raphael 
und des Tobias sind ein Wunder von Au3druc>k. Tobias 
seine, die voll scheuer Ehrfurcht und kindlichen Vertrauens 
die des Engels berührt, dieser, der ihn lenkt, mit der Liebe 
einer Welt, die für alle gleich ist. Abwägen der beiden Ge- 
sichtshälften, die in Licht und Schatten durch einen reichen 
Verlauf feiner Schwingungen die Grundebene innehalten und 
durch die präciseste Formengebung beweisen, daß vollkommen 
ausgearbeitete Thonmodelle, vielleicht auch Studien an Erz- 
büsten zur Vorarbeit dieses Bildes gehört haben. 
Und doch wird durch den Aufwand rein bildnerischer 
Leistung in höchster Anforderung die geistige Absicht des 
Bildes nicht verkümmert, der Ausdruck nicht gelähmt, wie 
etwa bei den Pollaiuoli, sondern eben diese Absicht beherrscht 
no< durch das ganze Bild diese aufreibende Bemühung der 
Gründlichkeit, welche uns im 15. Jahrhundert so oft allein 
schon als einziges künstlerisches Ziel vorkommt. 
In Schritt und Wendung des Raphael liegt eine un- 
sagbare Hoheit; der Gegensaß des himmlischen Abgesandten 
zum schulzbedürftigen Erdenkinde.
	        
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