fraft behält und auch in diesem Fall der Mehrzahl der
Menschen, die zu dem verborgenen Ausgangspunkt seiner
Schöpfungen nicht niederzudringen vermögen, rätselhaft
bleiben wird. Schon seine Schüler sprechen nur noch die
Laute einer ihnen selbst unverständlichen Sprache. Auch
dieses gute Bild Luinis zeigt an dem kapriziösen Kon-
ventionaliSmus der Schule die zur wunderlichen Formel-
haftigkeit erstarrte Kunst des Meisters.
Michelangelo. Heilige Familie. Dem Reichtum
an zeichnerischen Wendungen zuliebe hat er den merkwür-
digen, übrigens wie in allen seinen Bildern trefflich balan-
cierten Aufbau gewählt, statisch ebenso kompliziert als richtig.
Der Gefühlsinhalt, an sich sehr kühl und mehr im all-
gemeinen Ernst als in der Durchlebung des Momentes
beruhend, vergißt sich über der Aufdringlichkeit des ge-
wählten Motives. Die nackten Akte im Hintergrund, viel-
leicht dem Signorelli nachgebildet, waren wohl in Michel-
angelos8 Sinn als das Schönste, was die Natur geschaffen,
auch die würdigste Umgebung der heiligen Familie. Das
Stückchen Landschaft dahinter ist eine dem Michelangelo
fremde Sache und ohne Bedeutung. Auch mochte die Not-
wendigkeit, die oblong aufgebaute Gruppe im Runden ab-
zuschließen, den Künstler bei seiner notorischen Abneigung
gegen tote Natur, ganz von selbst auf diese Form geleitet haben.
Mit mühevollem Fleiß quält sich die unfreie Aus-
führung hinter der groß gewollten Erfindung her, und mit
hervischer Gewissenhaftigkeit leert der Künstler den freude-
losen Becher dieser Arbeit. Ein neutraler, absichtsloser
Ernst <arakterisiert seine Typen, die nichts Einladendes
haben, und denen man im Leben mit Ehrfurcht aus dem
Wege gehen würde. Das Bild hat alle guten Eigenschaften
Michelangelos und auch seine Schwächen. Es hat gar kein
Gefühl für das Substantielle und ist als farbige Erscheinung
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