Full text: Adolf Bayersdorfers Leben und Schriften

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ständige und eigenartige Fühlung mit seiner Muttersprache, 
und für sein Verständnis für die ursprüngliche Bedeutung, 
mögliche Anwendbarkeit und Fortbildungsfähigkeit der Worte 
und die in den geseßlichen Grenzen der Sprache zulässigen 
Wendungen des Saßbaues bietet fast jedes Gedicht Beispiele. 
Wie jeder berufene Künstler seine Werke schon vom Schöpfungs- 
momente an mit den technischen Mitteln seiner Kunst denkt 
und gar nicht anders denken kann (worin er sich eben von 
allen gemischt angelegten Naturen unterscheidet), so hat auch 
Greif seine Gedichte schon im sprachlichen Ausdrucke ge- 
dacht. Deswegen ist seine Sprache weder nüchtern noch 
affeltiert, sondern immer wahr und deckt stet8 den Gedanken, 
den sie so unmittelbar ausdrüc>kt, daß, wenn auch ein begriff- 
licher, so doch kein mechanischer Kausalnexus zwischen ihnen 
zu bestehen scheint. Die Sprache ist in und mit dem Ge- 
danken entstanden und nicht erst die Übersezung desselben 
in das zur Mitteilung an andere notwendige Verkehrs8mittel 
der Menschen. Die poetische Sprache, welche in der deut- 
schen Dichtung im Volksliede und bei Goethe wohl am vol- 
lendetsten auftritt, weicht nicht nur in usueller Beziehung, 
sondern auch in der Bedeutung der Worte und Ausdrüce 
ganz wesentlich von der prosaischen Schriftsprache ab, da 
denjelben wesentlich andere, vor allem viel umfassendere 
Werte in der Vorstellung anhängen. Die ganz eigene, typisch 
vereinfachte Welt, welche sich die poetische Phantasie im Laufe 
der Zeiten geschaffen und bevölkert hat mit einer Art von 
sahrendem Volk, das von ebenso einfachen als entschiedenen 
Trieben beseelt wird, hat eine parallele Reduktion des kom- 
plizierten Sprachgewirres für den poetischen Sprachgebrauch 
veranlaßt und ist Ursache einer an das Formelhafte streifen- 
den Herkömmlichfeit und Stabilität der poetischen Phrase- 
ologie. Die Sprache der Dichtung arbeitet also mit oft sehr 
kombinierten Vorstellungsformen, deren einfacher Ausdruck 
längst feststeht und ihr gestattet, mit wenig Mitteln so un- 
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